Montag, 28. September 2009

Bleibt alles gleich, außer dass es der Politik gut tun wird ...

Solange es demokratische Parteien sind, die gewählt werden - ob es nun zum Regieren reicht oder nur für die Opposition - bin ich erst einmal zufrieden. Und demokratisch sind sie zum Glück alle bis auf den braunen NPD-Matsch (und die haben ja nirgendwo Erfolge errungen). Also kann ich auch gut mit dem gestrigen Wahlergebnis leben, obwohl es nicht meinen Präferenzen entspricht.

Und wird sich denn etwas ändern für uns Bürger? Ja, aber nicht wegen der neuen Regierung, sondern wegen der allgemeinen Wirtschaftslage, die sogar die Linke zwingen würde, zu sparen. (Da hätte sich deren Klientel in den nächsten vier Jahren aber verdutzt umgesehen.) Also einfacher wird es nicht, schöner auch nicht, gerade nicht für uns Kulturschaffende, denn der Kultur wird es zuerst an den Sparkragen gehen.

Aber was wird außer Sparen sein? Ein paar empörende Steuergeschenke wird es geben, aber das wird sich in engen Grenzen halten. Der ausufernde Verbotewahn wird von der FDP hoffentlich ein bisschen eingeschränkt werden (für irgendwas müssen die ja auch gut sein, und angeblich sind sie ja liberal, müssten also erst einmal gegen Einschränkungen der Freiheit sein, die die CDU ja im kleinbürgerlichen Gleichschritt mit der SPD vornahm). Der Umwelt wird es weiter an den Kragen gehen, aber das hätte Sigmar Gabriel allein bei einer Neuauflage der Koalition auch nicht verhindern können. Bildung und Forschung werden genauso wenig profitieren wie bei allen anderen Parteien außer den Grünen, die sich aber sowieso in keiner Konstellation erfolgreich dafür hätten einsetzen können. Und ansonsten wird weiterhin keiner verhungern müssen und wir werden alle noch zum Arzt dürfen, auch wenn natürlich nur ein kleiner Teil der Bevölkerung dort optimal versorgt werden wird.

Bleibt also alles gleich ... Bis auf unser Politikverständnis - das wird sich zum Guten bessern. Dieser unerträgliche Sumpf großkoalitionären Gekungels, dieses klebrige Einandernichtandiekarrefahrendürfen, dieser erstickende Konsens bloß nichts durchsetzen zu wollen - das alles wird hoffentlich enden. Jetzt haben wir wieder verschiedene Lager und einen Wettstreit der Ideen. Jetzt werden die einen zeigen müssen, dass das, was sie wollen, etwas taugt; und die anderen haben die Gelegenheit, Alternativen aufzuzeigen.

Es wird wieder Streit geben, und in der Politik ist Streit etwas, das wir brauchen. Gibt es keinen Streit, sondern nur Muttis und Möchtegernvatis der Nation, dann brodelt Unheimliches an den Rändern der politischen Landschaft hoch. Lähmt sich die Demokratie so, wie es deren Akteure in den letzten vier Jahren getan haben, dann wächst wieder der Glaube daran, dass es eine vorzuziehenswerte Alternative zur Demokratie gäbe. Die gäbe es natürlich, wenn Sie mich als benevolenten Diktator erwählen. Aber sonst ist eines sicher: Der Bürger ist vor einem Missbrauch der Macht nur dann halbwegs geschützt, wenn er sie in demokratischen Verhältnissen zuteilt und bei Bedarf wieder entzieht. Das muss nicht nur möglich sein, sondern es muss der breiten Masse auch erstrebenswert erscheinen. (Am meisten Besorgnis erregte gestern die niedrige Wahlbeteiligung.)

Das Meiste bleibt gleich, wir werden im wahren Leben nur wenig unmittelbar davon spüren, dass jetzt wieder ein bestimmtes politisches Lager das Sagen hat. Aber der Politik wird es gut tun und in vier Jahren sprechen wir uns wieder und werden urteilen. Das dürfen wir uns nie wieder aus den Händen nehmen lassen.

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Gelassen bleiben, aber wachsam ...

Übrigens kommt die TAZ einen Tag später zu ganz ähnlichen Schlüssen und bietet noch eine Reihe weiterer Trostpflaster an, warum der Wahlausgang gar nicht so schlimm ist ...

Montag, 7. September 2009

Zum Internet-Manifest

Internet-Manifest: Wie Journalismus heute funktioniert. 17 Behauptungen.

Dieses Manifest wurde heute Mittag an verschiedenen Stellen im Netz veröffentlicht. Interessant, aber doch einiger Kommentare bedürftig, wie ich finde. Deshalb geb ich hier das Manifest wieder, ergänzt um ein paar Anmerkungen.

von markus um 11:55 am Montag, 7. September 2009 | 31 Kommentare
Auf Initiative von Mario Sixtus hat sich eine Gruppe von Menschen in den vergangenen Wochen und Tagen im Netz vernetzt, um der Debatte über den “Untergang des sogenannten Qualitätsjournalismus” und der latenten Internetfeindlichkeit in vielen Medien ein zeitgenössisches Manifest entgegen zu setzen: Das Internet-Manifest “Wie Journalismus heute funktioniert. 17 Behauptungen.”

1. Das Internet ist anders.
Es schafft andere Öffentlichkeiten, andere Austauschverhältnisse und andere Kulturtechniken. Die Medien müssen ihre Arbeitsweise der technologischen Realität anpassen, statt sie zu ignorieren oder zu bekämpfen. Sie haben die Pflicht, auf Basis der zur Verfügung stehenden Technik den bestmöglichen Journalismus zu entwickeln – das schließt neue journalistische Produkte und Methoden mit ein.

polyoinos: Das ist ohne Zweifel richtig.


2. Das Internet ist ein Medienimperium in der Jackentasche.
Das Web ordnet das bestehende Mediensystem neu: Es überwindet dessen bisherige Begrenzungen und Oligopole. Veröffentlichung und Verbreitung medialer Inhalte sind nicht mehr mit hohen Investitionen verbunden. Das Selbstverständnis des Journalismus wird seiner Schlüssellochfunktion beraubt – zum Glück. Es bleibt nur die journalistische Qualität, die Journalismus von bloßer Veröffentlichung unterscheidet.

polyoinos: Das ist nur sehr bedingt richtig. Um sich in diesem so heterogenen Medium mit seinen tatsächlich Millionen von Bloggern und anderen Autoren durchsetzen zu können, bedarf es mittlerweile doch herkömmlicher Medienmacht, um mit entsprechenden Werbeaktionen und Erwähnungen wahrgenommen zu werden. Das heißt, dass die Oligopole doch wieder zum Zug kommen, und ob die sich für Qualität oder für das entscheiden, was sie gerne ausgesagt haben möchten, ist die Frage. Die Qualität hat dabei meines Erachtens die schlechteren Karten.


3. Das Internet ist die Gesellschaft ist das Internet.
Für die Mehrheit der Menschen in der westlichen Welt gehören Angebote wie Social Networks, Wikipedia oder Youtube zum Alltag. Sie sind so selbstverständlich wie Telefon oder Fernsehen. Wenn Medienhäuser weiter existieren wollen, müssen sie die Lebenswelt der Nutzer verstehen und sich ihrer Kommunikationsformen annehmen. Dazu gehören die sozialen Grundfunktionen der Kommunikation: Zuhören und Reagieren, auch bekannt als Dialog.

polyoinos: Das ist schlicht falsch. Die Mehrheit der Menschen ist gerade einmal User und verfügt meist nur irgendwie über einen Internetanschluss (der oftmals gerade einmal im Monat angeworfen wird). Aktiv mitwirkende User sind das also lange nicht zwingend und das Gros der Bevölkerung, besonders der Teil ab 40, 45 Jahren, sitzt immer noch mehrheitlich vor der Glotze (und müsste erst mühsam hin zu aktivität sozialisiert werden). Natürlich sollten die Medienhäuser darauf vorbereitet sein, dass die aktivere Userschaft wächst, aber erst einmal ist sie noch klein. Und ob sie später wirklich aktiv und gestaltend wirken wird, ist noch sehr fraglich.


4. Die Freiheit des Internet ist unantastbar.
Die offene Architektur des Internet bildet das informationstechnische Grundgesetz einer digital kommunizierenden Gesellschaft und damit des Journalismus. Sie darf nicht zum Schutz der wirtschaftlichen oder politischen Einzelinteressen verändert werden, die sich oft hinter vermeintlichen Allgemeininteressen verbergen. Internet-Zugangssperren gleich welcher Form gefährden den freien Austausch von Informationen und beschädigen das grundlegende Recht auf selbstbestimmte Informiertheit.

polyoinos: Das ist als Forderung sehr richtig. Aber die Offenheit wird doch schon total eingeschränkt, denken Sie nur an die Vorratsdatenspeicherung. Und was sollen erst Chinesen und Iraner sagen? De facto ist da schon nicht mehr viel Offenheit weltweit und es wird immer geschlossener werden.


5. Das Internet ist der Sieg der Information.
Bisher ordneten, erzwungen durch die unzulängliche Technologie, Institutionen wie Medienhäuser, Forschungsstellen oder öffentliche Einrichtungen die Informationen der Welt. Nun richtet sich jeder Bürger seine individuellen Nachrichtenfilter ein, während Suchmaschinen Informationsmengen in nie gekanntem Umfang erschließen. Der einzelne Mensch kann sich so gut informieren wie nie zuvor.

polyoinos: Das stimmt, aber nur für sehr medienkundige Personen. Schließlich gibt es genug Schwachköpfe und Fundamentalisten, die ebenso ungestört ihren Unsinn verbeiten können wie die Vernünftigen: googeln Sie mal Kreationismus oder suchen Sie die ‚Infoseiten’ von NPD und ähnlichen Organisationen auf. Und selbst da, wo es ‚nur’ um weniger brisante Infos geht, muss der User lernen, welchen er vertrauen kann und welchen nicht, weil sie schlicht falsch oder unvollständig sind. Es muss sehr viel gelernt werden, um mit dem Netz umgehen zu können, und ob das ‚der’ einzelne Mensch tut, darf bezweifelt werden.


6. Das Internet verändert verbessert den Journalismus.
Durch das Internet kann der Journalismus seine gesellschaftsbildenden Aufgaben auf neue Weise wahrnehmen. Dazu gehört die Darstellung der Information als sich ständig verändernder fortlaufender Prozess; der Verlust der Unveränderlichkeit des Gedruckten ist ein Gewinn. Wer in dieser neuen Informationswelt bestehen will, braucht neuen Idealismus, neue journalistische Ideen und Freude am Ausschöpfen der neuen Möglichkeiten.

polyoinos: Gut, aber war das vorher wirklich anders? Information war immer schon ein „sich ständig verändernder fortlaufender Prozess“. Das INternet erweiter die Akteure auf dem Schreibmarkt, aber ob das immer so gut ist? Viele schlechte Schreiber mit irrelevanten und redundanten Informationen diskreditieren die Internet-News-Erzeuger.



7. Das Netz verlangt Vernetzung.
Links sind Verbindungen. Wir kennen uns durch Links. Wer sie nicht nutzt, schließt sich aus dem gesellschaftlichen Diskurs aus. Das gilt auch für die Online-Auftritte klassischer Medienhäuser.

polyoinos: Noch kennen wir uns hauptsächlich durch Begegnungen, lassen Sie uns hoffen, dass es noch lange dabei bleibt. Links sind natürlich gut, aber man sollte die sogenannte virtuelle Realität (die es nicht gibt, s. Blog vom 5.9.) nicht überbewerten.


8. Links lohnen, Zitate zieren.
Suchmaschinen und Aggregatoren fördern den Qualitätsjournalismus: Sie erhöhen die Auffindbarkeit von herausragenden Inhalten und sind so integraler Teil der neuen, vernetzten Öffentlichkeit. Referenzen durch Verlinkungen und Zitate – auch und gerade ohne Absprache oder gar Entlohnung des Urhebers – ermöglichen überhaupt erst die Kultur des vernetzten Gesellschaftsdiskurses und sind unbedingt schützenswert.

polyoinos: Ja, aber es droht die Übermacht der Masse. Suchmasschinen und Aggregatoren können genauso gut Quantität statt Qualität aggregieren und Referenzen durch Verlinkungen können organisiert werden, ohne dass es etwas mit Qualität zu tun hat.

9. Das Internet ist der neue Ort für den politischen Diskurs.
Demokratie lebt von Beteiligung und Informationsfreiheit. Die Überführung der politischen Diskussion von den traditionellen Medien ins Internet und die Erweiterung dieser Diskussion um die aktive Beteiligung der Öffentlichkeit ist eine neue Aufgabe des Journalismus.

polyoinos: Ja, aber wer holt diejenigen mit ins Diskussionsboot, die sich noch vor dem Netz scheuen, wer gibt denen eine Stimme und sorgt dafür, dass sie neben denen den Profibloggern auch gehört werden?


10. Die neue Pressefreiheit heißt Meinungsfreiheit.
Artikel 5 des Grundgesetzes konstituiert kein Schutzrecht für Berufsstände oder technisch tradierte Geschäftsmodelle. Das Internet hebt die technologischen Grenzen zwischen Amateur und Profi auf. Deshalb muss das Privileg der Pressefreiheit für jeden gelten, der zur Erfüllung der journalistischen Aufgaben beitragen kann. Qualitativ zu unterscheiden ist nicht zwischen bezahltem und unbezahltem, sondern zwischen gutem und schlechtem Journalismus.

polyoinos: Gut.


11. Mehr ist mehr – es gibt kein Zuviel an Information.
Es waren einst Institutionen wie die Kirche, die der Macht den Vorrang vor individueller Informiertheit gaben und bei der Erfindung des Buchdrucks vor einer Flut unüberprüfter Information warnten. Auf der anderen Seite standen Pamphletisten, Enzyklopädisten und Journalisten, die bewiesen, dass mehr Informationen zu mehr Freiheit führen – sowohl für den Einzelnen wie auch für die Gesellschaft. Daran hat sich bis heute nichts geändert.

polyoinos: Gut. Doch nicht genug damit. Die Informationsflut bedarf der ständigen Diskussion. Um zu verhindern, dass bspw. Fundis und kreationistische oder faschistische Schreihälse allein durch Lautstärke gewinnen.


12. Tradition ist kein Geschäftsmodell.
Mit journalistischen Inhalten lässt sich im Internet Geld verdienen. Dafür gibt es bereits heute viele Beispiele. Das wettbewerbsintensive Internet erfordert aber die Anpassung der Geschäftsmodelle an die Strukturen des Netzes. Niemand sollte versuchen, sich dieser notwendigen Anpassung durch eine Politik des Bestandsschutzes zu entziehen. Journalismus braucht einen offenen Wettstreit um die besten Lösungen der Refinanzierung im Netz und den Mut, in ihre vielfältige Umsetzung zu investieren.

polyoinos: Der Bestandsschutz wird durch die Hintertür kommen, indem die Mediemogule sich in alles einkaufen, was erfolgreich ist und alle Schreibenden kaufen, die Publikum haben. Es gilt hier vor allem, Unabhängigkeit anzumahnen, die trotzdem zu Leben ermöglicht.


13. Im Internet wird das Urheberrecht zur Bürgerpflicht.
Das Urheberrecht ist ein zentraler Eckpfeiler der Informationsordnung im Internet. Das Recht der Urheber, über Art und Umfang der Verbreitung ihrer Inhalte zu entscheiden, gilt auch im Netz. Dabei darf das Urheberrecht aber nicht als Hebel missbraucht werden, überholte Distributionsmechanismen abzusichern und sich neuen Vertriebs- und Lizenzmodellen zu verschließen. Eigentum verpflichtet.

polyoinos: Ja, solange gesichert wird, dass die Urheber nicht zum Freiwild werden und von ihren Erzeugnissen auch noch leben können. Piraten sind nicht per se Befreier, oft klauen sie schlicht.


14. Das Internet kennt viele Währungen.
Werbefinanzierte journalistische Online-Angebote tauschen Inhalte gegen Aufmerksamkeit für Werbebotschaften. Die Zeit eines Lesers, Zuschauers oder Zuhörers hat einen Wert. Dieser Zusammenhang gehört seit jeher zu den grundlegenden Finanzierungsprinzipien für Journalismus. Andere journalistisch vertretbare Formen der Refinanzierung wollen entdeckt und erprobt werden.

polyoinos: Werbung allein wird nicht tragfähig sein, es sollte viel mehr Emphase auf die anderen journalistisch vertretbaren (!) Formen gelegt werden ... So es sie denn geben wird?


15. Was im Netz ist, bleibt im Netz.
Das Internet hebt den Journalismus auf eine qualitativ neue Ebene. Online müssen Texte, Töne und Bilder nicht mehr flüchtig sein. Sie bleiben abrufbar und werden so zu einem Archiv der Zeitgeschichte. Journalismus muss die Entwicklungen der Information, ihrer Interpretation und den Irrtum mitberücksichtigen, also Fehler zugeben und transparent korrigieren.

polyoinos: Das ist im Augenblick so. Fraglich ist, wer die Datenbanken auf Dauer beherrschen wird, damit Information wirklich lebendig bleibt. Schon jetzt wird – unprofessionell – gefälscht, etwa bei Politkern in Wikipedia. Wenn das gut gemacht wird, wird auch das Internet Geschichtsklitterungen so wenig verhindern können wie alle Medien vorher.


16. Qualität bleibt die wichtigste Qualität.
Das Internet entlarvt gleichförmige Massenware. Ein Publikum gewinnt auf Dauer nur, wer herausragend, glaubwürdig und besonders ist. Die Ansprüche der Nutzer sind gestiegen. Der Journalismus muss sie erfüllen und seinen oft formulierten Grundsätzen treu bleiben.

polyoinos: Ein Publikum gewinnt auf Dauer aber auch nur, wer überhaupt erst wahrgenommen wird. Und wahrgenommen zu werden, ist bei zunehmendem Angebot eher eine Frage der Marktmacht als der Qualität. Hier ist der User gefragt, sich nicht abspeisen zu lassen!


17. Alle für alle.
Das Web stellt eine den Massenmedien des 20. Jahrhunderts überlegene Infrastruktur für den gesellschaftlichen Austausch dar: Die “Generation Wikipedia” weiß im Zweifel die Glaubwürdigkeit einer Quelle abzuschätzen, Nachrichten bis zu ihrem Ursprung zu verfolgen und zu recherchieren, zu überprüfen und zu gewichten – für sich oder in der Gruppe. Journalisten mit Standesdünkel und ohne den Willen, diese Fähigkeiten zu respektieren, werden von diesen Nutzern nicht ernst genommen. Zu Recht. Das Internet macht es möglich, direkt mit den Menschen zu kommunizieren, die man einst Leser, Zuhörer oder Zuschauer nannte – und ihr Wissen zu nutzen. Nicht der besserwissende, sondern der kommunizierende und hinterfragende Journalist ist gefragt.

polyoinos: Das ist aber viel Vertrauen in die Recherchefähig- und -willigkeit der Generation Wikipedia, die heute schon den simpelsten Fälschungen in eben dieser -pedia aufsitzt. Der Journalist für die Generation Wikipedia ist einer, der vor allem transparent darüber berichtet, wo er was her hat. Das erfordert einen neuen journalistischen Kodex und nicht simple Statements über angeblich kommunizierende Journalisten.


Das eigentlich nicht schlechte, nur übertrieben optimistische und blauäugige Manifest stammt von diesen Menschen
:

Markus Beckedahl http://www.netzpolitik.org/
Mercedes Bunz http://www.mercedes-bunz.de/
Julius Endert http://www.blinkenlichten.com/
Johnny Haeusler http://www.spreeblick.com
Thomas Knüwer http://blog.handelsblatt.com/indiskretion/
Sascha Lobo http://www.saschalobo.com/
Robin Meyer-Lucht http://www.berlin-institute.de/
Wolfgang Michal http://www.autoren-reporter.de/index.php?option=com_content&task=view&id=23&Itemid=66
Stefan Niggemeier http://www.stefan-niggemeier.de
Kathrin Passig http://de.wikipedia.org/wiki/Kathrin_Passig
Janko Röttgers http://www.lowpass.cc/
Peter Schink http://www.peter-schink.de/
Mario Sixtus http://www.elektrischer-reporter.de/
Peter Stawowy http://www.xing.com/profile/Peter_Stawowy
Fiete Stegers http://www.netzjournalismus.de/

Die Einwürfe stammen von mir ...

Samstag, 5. September 2009

Es gibt nur eine (relevante) Realität

Ich las gerade den schönen kleinen Artikel "Virtuelle Freunde im digitalen Ozean" von Christian Ruch im "EZW Materialdienst" September 2009, in dem der Autor am Beispiel Facebook das Phänomen sozialer Netzwerke diskutiert und unter anderem auch auf Realität und die Bedingungen der Konstruktion von Realität im Zeitalter der Vernetzung eingeht. Und an den ontologischen Betrachtungen (Ontologie = die Lehre vom Sein; die Lehre von dem, was ist) verhebt er sich, wie so viele.

Ruch - selbst "begeisterter" Facebook-Nutzer, wie er schreibt - beobachtet klug, welche immer weiter zunehmende Bedeutung soziale Netzwerke im privaten wie auch im öffentlich-politischen Leben haben. Nur kann er es, wie der in Mediendingen hypertrophe Norbert Bolz und viele andere Intellektuelle und Wissenschaftler, nicht lassen, aus der Nutzung sogenannter virtueller Realitäten weitestgehende - und unhaltbare - ontologische Schlüsse zu ziehen.

Am Beispiel von Facebook "zeigt sich", so Ruch, "einmal mehr, dass die Grenze zwischen Realität und Simulation verschwimmt."
Ja, hört man immer wieder.
Ist auch nachvollziehbar.
Ist aber trotzdem falsch.

Nicht eine ontologisch gegebene Grenze zwischen Realitäten verschwimmt, sondern allenfalls die Wahrnehmnung derselben - und dagegen kann man leicht etwas tun, wenn man denn will.

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Nicht an der Nase rumführen lassen!

Aus einer zutreffenden Betrachtung der im Gehirn stattfindenden Informationsverarbeitung zieht Ruch den Schluss, dass die Unterscheidung zwischen Realität und Simulation keinen Sinn mache, und das stimmt in ontologischer Hinsicht wiederum, da muss man ontologisxch nix unterscheiden, man muss nur den jeweiligen Status kennen, also wissen, was Simulation ist und wa snicht, um sich nicht zu verirren. Wurzlen tut dies aber alles in unserem schnöden ollen Universum.

Es besteht die Möglichkeit der faktischen Existenz verschiedener Realitäten, aber die für uns physiologisch erfahrbaren, die Realitäten also, die wir sinnlich erfahren können, mit Auge, Ohr, Tastsinn, Zunge und Nase sind nur eine einzige Realität. Fraglich ist sogar, ob wir geistig überhaupt so ausgestattet sind, das wir gedanklich und praktisch mit multiplen Realitäten zurechtkommen könnten. Das aber für uns nur ein Universum da ist, das deshalb auch zurecht so heißt, trifft auch für die von Computern erzeugten Pseudorealitäten zu.

Das ist natürlich prosaischer und viel weniger geheimnisvoll als das Gerede von multiplen Realitäten und deren Auswirkung auf unsere Befindlichkeit. Dass es nur eine Realität gibt, mit und in der wir agieren, ist eine Wahrheit, die einmal darzulegen genügt. Das aber macht es schwierig, Dutzende von Artikeln und Bücher zu schreiben. Raunt man hingegen wie Herr Bolz, "das Wirkliche verschmilzt mit seinem eigenen Bild", lässt sich trefflich multipublizieren. Besteht nur die Gefahr, die Theoreme durcheinander zu bekommen (Das Wirkliche? - hatten 'wir' Postmodernisten das nicht abgeschafft?), aber auch daraus gibt es immer einen publizistischen Ausweg.

Die Wirklichkeit ist also "nicht mehr hinter den Bildern zu finden, sondern allein in ihnen", so wieder Bolz (dem Herrn ist, wie gesagt, schwer zu entkommen)? Das kann man jetzt natürlich so und so ausführen; sich mal auf ontologische Multiplizismen verlegen und mal gesagt haben wollen, "dass die Medienwirklichkeit" unsere "Erfahrung und Weltwahrnehmung diktiert"; wobei ersteres Unsinn, letzteres aber gar nicht so falsch ist. Nur wie meinen 'wir' Postmodernisten es denn jetzt?

Wir sollten uns zumindest erst einmal darauf einigen, dass es nur eine Realität gibt, zu der wir Zugang haben und die zu uns Zugang hat (was schon alles über die Relevanz anderer Realitäten aussagt). Computer sind gänzlich von dieser Welt; die Programme, die auf ihnen laufen, sind von weltlichen Personen mühsam von Hand geschrieben worden (IF, NOT, OR ...) und die virtuellen Welten von Facebook werden von weltlichen Personen bevölkert. Und selbst wenn sich irgendwann eine KI darunter mischen sollte, dann ist auch die von weltlichen Personen zusammengebaut worden und zum weltlichen Bestandteil unserer einen Realität geworden.

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Jedis in Bochum? Ja, aber diese Fremden sind auch nur von hier.


Selbst die unheimlichen Realitäten (den Pädagogen unheimlich) von "World Of Warcraft" und "Herr der Ringe Online" sind schnöde, von weltlichen Personen erdachte Geschichten, deren Verwurzelung in uns weltlichen Menschen sogar besonders tief ist, leben sie doch in der Regel von den Mythen und Archetypen, die uns seit Jahrtausenden begleiten.

Womit ich nicht sagen will, dass das alles unproblematisch wäre. Das ist es keinesfalls: Datenschutz, Suchtgefahr, Mobbing, Missbrauch, Kriminalität, Überwachungsstaat - es gibt keine Gefahr oder Perversion, die es nicht auch in den Netzen gäbe.

Nur eine Gefahr, die besteht bei Einsatz des gesunden Menschenverstandes nicht: Dass man sich in verschiedenen Realitäten verlieren (oder dorthin fliehen) könne. Ist auch besser so, wir sind mit der einen Wirklichkeit ja schon überfordert.




Donnerstag, 3. September 2009

RingCon 2009, bin doch dabei

Nun ist es amtlich, ich werde auf der RingCon 2009, 2.-4.10., Bonn, Maritim Hotel, doch wieder mit dabei sein. Wäre ja auch zu schade, denn ich war bis jetzt ja bei jeder. Nur waren die Terminschwierigkeiten dieses Jahr echt kriminell.

Deshalb schaffe ich es auch nur für den Samstag und muss am Sonntagmorgen vor Tau und Tag wieder los. Am Samstag werde ich wieder das Streitgepräch moderieren, außerdem trage ich über "Gewalt in der Fantasy" und "Fantasy, Sage, Märchen, Mythos - Gemeinsamkeiten und Unterschiede" vor.

Bis bald in Bonn also!

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RingCon 2005 (v. l.): Friedhelm Schneidewind, polyoinos, Dr. Christian Weichmann, Marc B. Lee, Sandy Velten