Das winzige Erlebnis, das ich hatte, bestand darin, dass ich bei einem Spaziergang mit meinem Sohn an einem Altenpflegeheim vorbeikam, bei dem in einem der ebenerdigen Zimmer das Fenster offen stand und man gut reinsehen konnte. Was ich sah, war ein freundlicher, heller Raum von ca. 4 x 4 Metern Grundfläche. Bett, Tisch, 2 Stühle, Beistelltisch mit Fernseher; alles in hellem Holz, ich nehme an Kiefer. Eine Blumenvase stand auf dem Tisch, alles wirkte sehr sauber. Kurz: Ein netter Eindruck.
Trotzdem verstehe ich die 79jährige Dame sehr gut, die Herrn Kuschs Hilfe in Anspruch nahm. So hübsch das auch aussah: Dort will ich nicht hin! Das ist kein echtes Zuhause, das ist Klinik. Hübsche Klinik, ja, aber ich war 13 Jahre als Krankenpfleger tätig und erkenne ein Patientenzimmer, wenn ich eines sehe. Nee, nicht für mich.
Was sein wird, wenn ich 79 bin, weiß ich nicht. Aber ich glaube nicht, dass ich mich in den nächsten 34 Jahren so verändern werde, dass ich Klinik und den Verlust eines echten Heimes dann in Kauf zu nehmen gewillt bin. Wofür auch? Für weitere drei, vier Jahre? Lohnt nicht. Weitere 20 Jahre, so ich sie denn erlebte? Die Vorstellung ist ja noch schlimmer!
Ich habe noch einiges vor, denke aber, dass ich mich dann irgendwann vor der letzten Reise nur noch ein bisschen ausruhen möchte und dann ist es gut. Aber ich ruhe mich doch nicht da aus. Wohlgemerkt, das ist keine Kritik an Pflegeheimen und Personal, wenn die so hübsch und aufmerksam sind, wie sich das in diesem einen Fall darstellte. Das Thema, das ich mit dieser Bemerkung anspreche, ist das der Autonomie meiner Entscheidungen.
Ich rede auch nicht davon, dass die Hospizbewegung gestärkt werden muss, dass die Palliativmeidzin besser werden muss, dass verdammt nochmal niemand Schmerzen zu leiden haben darf. Das ist alles richtig, wichtig und hilft bald hoffentlich vielen Menschen, dass auch die letzten Jahre schön werden.
Nein, ich rede davon, dass ich die alte Dame gut verstehe, die nicht ins Pflegeheim wollte. Und sei es noch so schön. Wenn ich zu dem Entschluss komme, dass es gut ist, dass ich nicht mehr möchte, dann will ich mein Leben auch auf eine Weise abschließen können, die mir den letzten Schritt leicht macht. Ja: leicht macht! Ich werde es mir schon nicht zu leicht machen, zu dieser Entscheidung zu gelangen. Dann aber will ich keine Hürde mehr vor mir sehen.
Es ist mein Leben. Es ist das einzige, was wirklich mir gehört. Vielleicht ist es auch nur das einzige, was wirklich mir gehören sollte. Dazu gehört, dass ich es aufgebe, wann ich will.
Und ein Gott, der mich nicht aufnimmt, weil Suizid Sünde ist, in dessen Reich will ich gar nicht. Aber ich denke nicht, dass Gott das so streng sieht.
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