Dienstag, 24. Februar 2009

Ein Lob den Wissenschaften - Cambridge I

Am vergangenen Montag war ich eingeladen, zusammen mit Margaret Hiley unser Buch Tolkien´s Shorter Works am Regional College in Peterborough vorzustellen. Es war ein schöner Trip nach England, das ich ja sowieso liebe. Genauer gesagt ging es nach Cambridge, eine Stadt, die nahezu zur Gänze Universität ist. Was dabei besonders beeindruckend für mich gewesen ist, war, die Füße auf wirklich bedeutenden wissenschaftlichen Boden setzen zu können.

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Blick vom Turm von St. Mary´s auf die Stadt und einige der Colleges

Auch wenn Wissenschaft, zumindest so wir sie in westlich geprägten Zusammenhängen verstehen und vor allem definieren, nichts mit Spiritualität zu tun hat (es sei denn, sie behandelt sie als Forschungsobjekt), so hat mich der Besuch dieser „heiligen Hallen“ der Wissenschaften doch auf einer ganz irrationalen Ebene berührt. Und mir damit - das sei by the way mal wieder erwähnt - nochmals gezeigt, dass wir Menschen Rationalität und Spiritualität, Emotion und Irrationalität nicht voneinander zu trennen imstande sind. Und nicht trennen sollten ...

Nun, die meisten der großen Geister, die in Cambridge wirkten, würden dem letzten Satz wohl widersprechen, ist Cambridge doch in erster Linie für seine Naturwissenschaftler bekannt. On second thought jedoch ... Vielleicht würden sie es doch gar nicht so eindeutig ablehnen, denn es ist ja so, dass die meisten klugen Forscherinnen und Forscher anerkennen, dass sich mit Rationalität allein nicht alles erklären lässt, und dass weitere Erkenntnisweisen, auch wenn sie subjektiv sind, einen objektiven Wert besitzen.

Auf jeden Fall befand ich mich nun am Samstag mitten in Cambridge, umgeben von Colleges, die weit mehr Nobelpreisträger hervorgebracht haben, als alle deutschen Universitäten zusammengenommen: King´s College, Trinity College, St. John´s ... 800 Jahre Wissenschaftstradition. Hinter größtenteils beeindruckenden Mauern wurde die Welt vielfach verändert, und dies öfter zum Guten, denn zum Schlechten, was mehr ist, als man von den meisten geschichtsträchtigen Orten dieser Welt sagen kann.

Beeindruckend! So stehe ich in Front des Trinity College plötzlich vor einem direkten Abkömmling des Apfelbaumes, der damals jene Frucht fallen ließ, die Newton darauf brachte, die Gravitationstheorie zu formulieren. Dies von Frens Kröger, Margarets Freund, erklärt zu bekommen, löst ein intensives Gefühl des Berührtseins aus.

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Im Winter ohne Blatt und Frucht ...


Und es berührt mich positiv, fast inspirierend, auch wenn mir im gleichen Moment einfällt, dass Newton wegen dieser und anderer Entdeckungen beschimpft wird, den Regenbogen seines Zaubers entkleidet und die Welt ernüchtert und entspiritualisiert zu haben:
„Do not all charms fly
At the mere touch of cold philosophy?
There was an awful rainbow once in heaven:
We know her woof, her texture; she is given
In the dull catalogue of common things.“
(Keats, Lamia, Zeilen 229 - 233; unter „philosophy“ verstand man damals hauptsächlich die Naturwissenschaften)
Was für ein Zufall, dass ich hier bin, um am Montag in meinem Vortrag zu erklären, wie Fantasy die Welt zu respiritualisieren vermag.

Was aber ist richtig davon? Haben Newton, Kopernikus, Kepler und Konsorten (Kopernikus und Kepler allerdings nicht hier in Cambridge) die Welt nüchterner und ärmer gemacht? Können Fantasy, Sagen, Mythen unsere Welt wieder anreichern? Und wenn sie das können, muss man auf die Rationalisten und ihre Modelle verzichten, um angereichert zu bleiben?

Hmm, ganz ungeordnet gedacht, kommt mir in den Sinn zu sagen, dass Newton und Kollegen es doch gar nicht bewirkt haben, die Welt zu ernüchtern - so what´s the bother? Sie haben es natürlich auch gar nicht gewollt, aber sie haben in Sachen Ernüchterung auch gar nicht mehr verursacht, als Wissensgrenzen zu erweitern. Hinter diesen Grenzen sind die Rätsel genauso groß wie vorher und bieten weiterhin alle durch Denken und Fühlen erreichbaren Zugangsmöglichkeiten. Was sie erreicht haben, ist, eine Reihe von Ausdrucksformen des Aberglaubens ad absurdum zu führen, aber das ist nur begrüßenswert.

Können Mythen und ähnliche Gedanken also die Welt wieder ,anreichern‘? Natürlich! Bis auf das „wieder“, denn es ist keine Wieder-Anreicherung - die Welt und die Gedankenwelten waren immer schon von ununterdrückbarem Reichtum. Was der Mythos wieder tun kann und wieder tut, ist, uns Menschen immer wieder daran zu erinnern, dass die Welt größer ist, als Mikro- und Teleskop sie anzuzeigen vermögen und dass unsere Innenwelten an dieser Größe teilhaben können und teilhaben sollten; neben all der Tageshektik und dem Streben nach materiellem Erfolg und Sicherheit.

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Dons and Graduates ...

Muss man sich aber dann nicht wenigstens entscheiden, welchen Zugang zum Sein man wählt, weil beide exklusiv sind? Das ist die schwierigste Frage ... Ich versuche beides, denn Ratio und Emotion zeigen mir, dass jede Seite allein defizient ist. Beide helfen mir nur nicht besonders dabei, zu einem modus convivendi zu kommen. Ich werde aber dranbleiben.

Die Cambridge-Gedanken werden bald fortgesetzt ... dann geht´s um die Biologen.


Metaphysics in Tolkien

In February 2009 I was invited to give a short lecture on Tolkien and his poem Mythopoeia at Peterborough Regional College in East Anglia. Dear folks over there, thank you very much for inviting me, I really enjoyed being with you!

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Peterborough Regional College, on a very dark and cloudy day ...

I was expected to tell people with little or no knowledge of Tolkien and of philosophy something about the metaphysics that can be traced in Tolkien´s work. So I decided to give an abbreviated version of my article on Mythopoeia, enriched with some remarks on Tolkien in general. Please feel invited to read this introductory reproduction of my lecture if you also are not that familiar with Mythopoeia.

If you like it, have a look at the whole article or, even better, get this book from Walking Tree Publishers.



Montag, 16. Februar 2009

Fremdgebloggt: Was sind die Freiheitsredner? ...

... ist das Thema eines Beitrages, den ich für die Blogplattform Blogpatenschaften verfasst habe. Blogpatenschaften ist eine Plattform zur Vernetzung sozialer Ideen, die aber auch ganz unabhängig von meinem Beitrag einen Besuch wert ist. Wenn ich Sie also bitten darf, mir auf diese Seite zu folgen:

„Erinnert sich noch jemand an die große Volkszählung in den Achtziger Jahren? Als dieser Zensus für monatelange Proteste in der großen medialen Öffentlichkeit ebenso wie in der kleinen Öffentlichkeit der Vereine, Stammtische und im Freundeskreis sorgte? Aus heutiger Sicht mutet geradezu läppisch an, was der Staat damals wissen wollte, wenn man es mit den Daten vergleicht, die jede Bürgerin und jeder Bürger im digitalen Zeitalter hinterlässt oder gar bereitwillig und möglichst öffentlichkeitswirksam über Social Networking Sites hinausposaunt.“ (weiter ...)

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Mittwoch, 11. Februar 2009

Zu Darwins Geburtstag

Am 12. Februar 1809, vor genau zweihundert Jahren wurde Charles Darwin geboren, wie Ihnen dieser Tage kaum entgehen dürfte. Auch wenn der britische Naturforscher also derzeit in aller Munde/in allen Medien ist, möchte auch ich ein paar Worte über diesen Mann verlieren, der die Welt verändert hat wie kaum ein Mensch vor ihm.

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„Darwin?“

Es gibt ein paar solcher Menschen - Kant, an dessen Denksystem sich alle ernsthafte Ethik messen lassen muss, Freud und Kopernikus, die dem Menschen neben Darwin seine anderen beiden ‚schweren Kränkungen‘ zufügten (davon gleich mehr), und vielleicht noch zwei, drei andere - deren Gedanken und Erkenntnisse der Evolution der Menschheit entscheidende Schübe oder Wendungen gaben.

Und mit dem Wort Evolution sind wir auch schon bei Darwins Verdienst, denn er beschrieb und bewies erstmals die grundlegenden Prinzipien der Evolution. Sicher war 1859, als die erste Auflage der Origin of Species erschien, die Zeit irgendwie auch reif für die Entdeckung der Evolution. Wäre es nicht Darwin gewesen, so hätte wahrscheinlich Alfred Russell Wallace innerhalb von zehn Jahren eine ganz ähnliche Publikation herausgebracht. Aber es war eben Darwin, der uns die Evolution erklärte.

Und wie er das tat! Lesen Sie einmal die Origin und Sie werden sehen, dass Darwin auch ein begnadeter Schriftsteller war. Kein Wunder, dass dies Buch überzeugte ... wer weiß, welchen Eindruck ein weniger versierter Schreiber gemacht hätte? Zunächst war es aber natürlich sein über mehr als zwanzig Jahre bedächtig zusammengetragenes Theoriegebäude, das die wissenschaftliche Welt fast mit einem Schlag überzeugte. Andere Forscher hätten vielleicht mehr Anläufe gebraucht, wenn sie unbedachter als Darwin vorgeprescht wären.

Auch Darwin war, wie man in dem exzellenten Buch von Jürgen Neffe jetzt wieder einmal nachlesen kann, schon auf seiner Weltumseglung klar geworden, wie Evolution im Prinzip funktioniert. Doch wog er mehr als zwanzig Jahre lang ab und sammelte Mosaikstückchen um Mosaikstückchen für eine lückenlose Argumentationskette. Manches, was ihm die Beweisführung erleichtert hätte - die gesamte Genetik beispielsweise -, konnte Darwin nicht kennen, anderes scheint ihm entgangen zu sein - J. Gregor Mendel und dessen Vererbungslehre etwa -; dass er trotzdem so schlüssig argumentieren konnte ist da nur umso beachtenswerter.

Und heute kann die Evolutionstheorie, in ihrer durch vor allem Ernst Mayr und Julian Huxley zusammengestellten Form der Synthetischen Evolutionstheorie, als die am besten nachgewiesene Annahme der Naturwissenschaften gelten. Die Evolutionstheorie ist schon seit vielen Jahren keine Theorie, sie ist eine Beschreibung des Faktischen.

(Dem obigen Absatz müsste ich jetzt eigentlich eine genau Erläuterung folgen lassen. Dann säßen Sie aber noch in drei Stunden hier vor dem Computer oder würden, worauf es mir heute ankommt, gar nicht mehr lesen. Wenn Sie sich über den Wert der Evolutionstheorie informieren wollen, so können Sie das als ersten Einstieg schon einmal gut bei Wikipedia tun. Oder Sie warten bis Oktober, dann wird ein Buch von Friedhelm Schneidewind und mir im Oldib-Verlag erscheinen, dass sich mit Evolutionstheorie und ihren Kritikern und besonders der Irrlehre des Intelligent Design beschäftigt - einfach den RSS-Feed abonnieren und Sie lesen hier sofort,wenn das Buch da ist.)

An der Faktizität schon der großen Mehrheit der frühen darwinschen Erkenntnisse ändern auch die Erweiterungen und kleineren Modifkationen nichts. Insbesondere in der Genetik werden zwar ständig neue Entdeckungen gemacht, auch was die einst als völlig beherrschende Rolle der Genetik angeht, die heute sehr viel differenzierter gesehen und als ‚unwichtiger‘ für das Evolutionsgeschehen angesehen wird (Stichwort: Epigenetik). Aber Darwin sprach ja auch nicht von Genetik, sondern wies das Evolutionsgeschehen nach, das wirklich passiert und nur noch nicht in den kleinsten Einzelheiten verstanden worden ist.

Dass es die Evolution aber gibt, war und ist für viele Menschen ein Problem, das für sie so groß werden kann, dass sie nicht in der Lage sind, die Evolution anzuerkennen. Evolution ist in den meisten Formen der Kritiker eine Kränkung des Menschen wie auch Gottes. Wir Menschen sind nun einmal etwas Besonderes, heißt es dann, etwas, das so nicht noch einmal vorkommt - das kann und darf doch nicht aus dem Tier entstanden sein. Wobei das Problem nicht das „kann nicht“ ist, sondern das „darf nicht“. Warum eigentlich darf es nicht?

Weil es die Sonderstellung des Menschen angreift. Einst war ja unsere ganze Welt etwas ganz Besonderes, denn das ptolemäische Weltbild stellte sie in den Mittelpunkt alles Seienden, die Erde war der Mittelpunkt des Kosmos. Und Menschen beherrschten diesen Mittelpunkt, hatten ja auch den Auftrag dazu: „Macht Euch die Erde [um die sich alles dreht] untertan!“. Doch dann kamen ein paar Naseweise mit den Namen Kepler, Brahe, Galilei und besonders Kopernikus und wiesen nach - nee, is´ nich´. Die Erde ist nur eine von vielen Kugeln im Universum. Das war die erste große Kränkung, der Mensch stand nicht mehr als Herrscher im Zentrum des Kosmos.

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Galapagos-Archipel


Und dann kam Darwin und erklärte uns zu Zufallsprodukten tierischer Herkunft - die zweite große Kränkung. (Ich weiß, in der Origin steht nur ein einziger - zurückhaltender! - Satz über den Menschen; aber natürlich war jedem Leser klar, was die Entwicklung der höheren Tiere, insbesondere der Affen, aus einem gemeinsamen Ursprung für den Menschen bedeutete.)

(Die dritte Kränkung durch Freud bestand dann - soviel nur der Vollständigkeit halber - darin, uns zu beweisen, dass wir nicht einmal Herr im eigenen Oberstübchen sind, sondern von unkontrollierbaren Affekten und anderen Einflüssen herumgeschubst werden.)

Gegen Ende des Neunzehnten Jahrhunderts war aus dem einstigen ‚Master of the Universe Mensch‘ ein recht insignifikantes Häufchen Elend geworden. Etwas einflussreicher als die ja auch nicht unverwandte Küchenschabe zwar, aber dies nur auf einem unbedeutenden kleinen Sandkorn im All (und im Anschluss an Freud kann die Küchenschabe zumindest noch als zielstrebiger denn der Mensch angesehen werden).

Der einzige, der uns daraus noch erretten kann, ist Gott. Und zwar dann, wenn Er uns absichtsvoll erschaffen und mit einer Aufgabe versehen hat. Deshalb darf der Mensch nach Ansicht der Tiefgekränkten nicht einfach ein mit der Schabe verwandtes Zufallsprodukt sein, sondern muss von Anfang an eine Sonderrolle einnehmen - am besten, indem er am siebten Tag, als Krönung der Schöpfung und unbefleckt vom restlichen tierischen Morast, das Licht der Welt erblickte.

Dass die Evolutionstheorie eine alternative Erklärung zu dieser Ausformung des Schöpfungsgedankens anbietet, ist, was sie für viele so besonders inakzeptabel macht. Mit Kopernikus haben wir schnell problemlos leben gelernt, zumal noch immer keine um Gottes Gunst rivalisierende Aliens hier aufgetaucht sind. Freud, naja, Gott hat uns eben imperfekt geschaffen und das soll halt unsere Prüfung sein (und außerdem wurde der olle Freiberger in ganz vielen Aspekten schon widerlegt). Aber Darwin? Darwin ist viel „gefährlicher“ (wie völlig zurecht Daniel Dennett sagt).

Aber warum ist das so? Was ist denn so schlimm daran, dass wir evolutionär entstanden sind? In welcher Weise setzt uns das denn herab? Warum sollte Gott nicht diesen Weg gewählt haben? Und warum - wenn es denn unbedingt sein muss - sollten wir nicht trotzdem „Krone“ der Schöpfung sein? Ist doch egal, auf welchem Wege wir bewerkstelligt wurden, wenn wir denn bewerkstelligt wurden.

Die Evolutionstheorie Darwins und aller nachfolgenden Forscher - das kann man gar nicht oft genug sagen - richtet sich in keiner Weise gegen den Glauben. Sie ist völlig kompatibel mit dem Glauben. Nichts spricht dagegen, dass Gott das alles in Gang gesetzt hat. Es ist eben eine Glaubensfrage. Und ja - die Theorie erlaubt in der Tat, eine Menschenentwicklung plausibel zumachen, die ohne Gott funktioniert. Aber hey - das kann dem Gläubigen doch wohl egal sein, oder? Ihr schert euch doch nicht darum, was so ein ‚armer Atheist‘ behauptet ...

Was allerdings nicht mehr geht, ist, dass eine Weltanschauungsweise die alleinige Deutungshoheit beansprucht. Es gibt jetzt einen Grund, in dem vorstellbare Alternativerklärungen wurzeln können. Atheistische Weltbilder, aber auch andere spirituelle Glaubensgefüge und Spekulationen. So könnte es doch sein, dass Geist oder Chi sich ebenfalls evolutionär entwickelten, genauso, wie der erste Replikationsmechanismus aus unbelebten Bestandteilen entstand - die Emergenztheorie ist ein spannendes, plausibles Annahmengebilde.

Mit den Alternativen ist nun eine gewisse Beliebigkeit eingetreten. Ihnen gefällt das Wort nicht, denn Sie hängen einer Weltanschauung an? Diese ist für Sie natürlich in keinster Weise beliebig, klar. Aber dass Sie gerade von dieser, Ihrer Weltanschauung überzeugt sind, liegt doch in Ihrer Biographie begründet. Andere Biographien führen zu anderen Weltanschauungen und das ist, sorry, eine Art von Beliebigkeit. Von außen betrachtet, und das tue ich hier.

Ich schränke ja niemandes Überzeugungen ein. Denn es kann ja durchaus sein, dass eine bestimmte Weltanschauung richtig und alle anderen falsch sind. Oder dass allen Weltanschauungen ein echter wahrer Kern unterliegt, der dann die (u.U. noch nicht erkannte) Wahrheit darstellt. Aber bis wir das wissen, ist alles möglich ... Dass wir es jemals zweifelsfrei wissen werden, ist höchst unwahrscheinlich.

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Schönheit der Natur, egal woher


Beliebigkeit, oder vielleicht besser Alternativenreichtum ist natürlich gefährlich. Aber er setzt Sie ja nicht gefangen, im Gegenteil wurden Sie befreit.

Sie sind Christ? Dann hat kein Atheist das Recht, Ihnen vorzuschreiben, an eine nicht geschöpfte Welt zu glauben. Ihr christlicher Glaube ist frei! Sie sind Muslim? Dann hat Darwin auch Sie in Teilen davon befreit, sich irgendwelchen Kreuzfahrerlehren unterwerfen zu müssen. Wenn Sie Atheist sind, wissen Sie sowieso, was ich meine, müssen aber daran denken, dass Sie nicht das Recht haben, jemandem seine Überzeugung zu entreißen - Sie sind frei, er ist frei.

In diesem Sinne stimmt es dann einmal: Wahrheit macht frei. Frei zu glauben, aber auch frei vom Zwang zu einem bestimmten Glauben.

Wahrscheinlich ist es diese Freiheit, die den Kreationisten ein Dorn im Auge ist. Deshalb kommen die heute, wo das mit dem auf-den-Scheiterhaufen-schmeißen nicht mehr ganz so einfach geht, auch wissenschaftlich daher und stellen eine sogenannte Alternativtheorie zur Diskussion: die Lehre vom Intelligent Design, ID.

ID besagt, dass bestimmte Aspekte des Kosmos und des Lebens besser durch eine intelligente Ursache (i.e. Gott) erklärt werden als durch andere Theorien, insbesondere besser als die Annahme, dass Leben sich durch den ungerichteten Zufall entwickelt habe. So, sinngemäß, etwa das Discovery Institute, eine führende us-amerikanische ID-Institution (die es sich auch nicht nehmen lässt, gerade heute, an seinem Geburtstag, kräftig gegen Darwin zu polemisieren).

Es gibt viele Probleme, die die Heilslehre des ID zeitigt. Andererseits ist ID aber auch überhaupt kein Problem - in bestimmter Hinsicht. Denn was ID zu sein vorgibt, ist es schlicht nicht, kann es schlicht nicht sein. ID ist nämlich keine rivalisierende wissenschaftliche Theorie, denn ID stellt sich außerhalb der Wissenschaften, da seine Annahmen prinzipiell nicht nachprüfbar sind.

Die der Evolutionstheorie hingegen schon, denn in die noch vorhandenen sowie eine Vielzahl vermeintlicher Lücken dieser Beweise stößt ID ja andauernd hinein. Natürlich ist ID herzlich eingeladen, auf diese Lücken aufmerksam zu machen; jeder ist aufgefordert, Wissenschaft durch Kritik weiterzubringen. Unredlich aber ist es, sich hinter dem Pulverrauch der vorgebrachten Kritik selbst als Wissenschaft zu gerieren, wenn man doch nichts weiter anbietet als Glaubensinhalte.

Klar ist es denkbar, dass Gott das Universum so geschaffen hat, wie es denn aussieht, und auch, dass er es nur geschaffen hat, um den Menschen darin zu platzieren. Nur überprüfbar ist das eben nicht und deshalb ist ID eine Heilslehre (wenn man denn von „Heil“ reden kann), keine Wissenschaft. Mit der gleichen Plausibilität, die das ID vertritt, kann man davon ausgehen, dass hinter allem Sein das Fliegende Spaghettimonster steckt. Und das ist mir viel sympathischer, wettert es doch wenigstens nicht gegen alle Freiheiten, die mühsam gegen die Kirchenfundamentalisten erkämpft wurden.

Was Darwin demgegenüber anzubieten hatte, war eine lange Kette von empirischen Beweisen. Was er schuf war gute, nein, allerbeste Wissenschaft, so wie sie zu sein hat. Ja, Darwin war Atheist - später. Aber der Weg dorthin war nicht leicht für ihn und die Beweise für die Evolution fand und interpretierte er schon zu Zeiten als er noch Christ war. Warum auch nicht, widersprüchlich ist beides ja eben gerade nicht.

Darwin 2009
Darwin 2009


Charles Darwin, geboren am 12. Februar vor 200 Jahren.
Herzlichen Glückwunsch und vielen Dank für alles!



Sonntag, 1. Februar 2009

Datenkontrollverlust - wie weit würden Sie sich treiben lassen?

Angesichts der in immer schnellerer Folge bekanntwerdenden Überwachungsaktionen, die Wirtschaftsunternehmen ihren Angestellten angedeihen lassen, stellt sich die Frage ziemlich akut, wie weit Sie sich treiben lassen würden? Was würden Sie an Kontrolle über Ihre Daten zulassen?

(Ganz davon abgesehen, dass das Datensammelgebaren des Staates diesen Gedanken eigentlich schon seit Jahren nahelegt: Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung.)

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Was mich gerade heute dazu bringt, dieses Thema im Blog anzusprechen, ist eine Nachricht über die finnische Elektronikfirma Nokia, die das Thema „Datenschutz in der Wirtschaft“ auf eine neue Stufe hebt. Nokia, das war schon länger bekannt, strebt an, dass Finnland ein Gesetz erlässt, das es Nokia erlauben soll, die Grenzen der Kommunikationsüberwachung, die Finnland gesetzlich eigentlich gezogen hat, zu überschreiten und insbesondere den E-Mail-Verkehr seiner Mitarbeiter weitestgehend inhaltlich kontrollieren zu dürfen.

Heute ist ans Licht gekommen, dass Nokia diese Forderung mit der Drohung verbunden hat, den Firmensítz aus Finnland abzuziehen, wenn dieses Gesetz nicht kommt. Also soll die Regierung ein Einlenken signalisiert und die Schaffung einer Lex Nokia versprochen haben. (Quellen: Heise, n-tv sowie der Originalartikel in der „Helsingi Sanomat“, der erfordert allerdings Finnischkenntnisse.) Zwar gibt es mittlerweile auch erste Dementis, doch die überzeugen nicht, so dass die Frage also noch einmal dringlicher wird: Wie weit wären Sie bereit mitzugehen?

Denn was ist denn schon Schlimmes an dieser Überwachung? Was wäre schlimm daran, wenn Thyssen das einführte? Oder Siemens? Oder die regionale Baumarktkette und der Sanitärbetrieb zwei Straßen weiter oder die Kita „Sonnenschein“ von gegenüber? Was wäre schlimm daran, wenn es Sie beträfe?

Die allermeisten Mitarbeiter von Nokia haben, ebenso wie Sie liebe Leserin, lieber Leser auch, nicht das Geringste zu befürchten von so einer Überwachung. Und dass ein paar schwarze Schafe dadurch eventuell gefasst werden, macht ihren Arbeitsplatz nur umso sicherer, denn die haben ja dem Betrieb geschadet.

Die eine oder andere grenzfällige Onlinenutzung kann man ja auch auf zuhause verlegen: Buchmacher, Erotikshop usw. Und dass einem erst jetzt, angesichts der Einführung der kompletten Onlineüberwachung, auffällt, dass man etwas sooo viel Arbeitszeit bei Xing, Facebook oder MySpace verbringt, ist ja auch nicht schlecht, denn nun kriegt man wieder mehr geschafft. (Denn das gehört nun natürlich dazu - nicht allein E-Mail wird mitgelesen, auch die Nutzung und die Nutzungszeiten aller Internetsites und -dienste wird ab nun protokolliert.)

Und selbst wenn Sie persönlich kein gutes Gefühl dabei haben, überwacht zu werden ... denken Sie nur an Ihre Abteilung ... würde von denen jemand aufbegehren? Nein? Dann stünden Sie mit einer Beschwerde ja auch noch allein im kurzen Hemd vor der Chefin! Müssen Sie sich das antun? Können Sie sich das überhaupt erlauben?

Wie weit also würden Sie mitgehen? Sie werden unter Umständen ein gutes Stück zu laufen haben, denn den Überwachern werden die Ideen nicht so schnell ausgehen ...

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