Es spricht zugebenermaßen persönlich motivierte Empörung aus mir, denn ich habe, wie die große Mehrheit aller Doktoranden, meine Arbeit wirklich in jahrelanger mühevoller Kleinarbeit geschrieben, statt sie zusammenzukopieren und habe deshalb nicht das geringste Unsicherheitsgefühl dabei, aus meinem Glashaus heraus mit dicken Steinen zu werfen. Prof. Fischer-Lescano hat recht, wenn er dies im morgigen Spiegel als "Verrat an der Wissenschaft und an all den Doktorandinnen und Doktoranden" brandmarkt. Aber es geht um mehr als um diese eine Frechheit des Betrugs an hart arbeitenden WissenschaftlerInnen.
Wie genau, warum genau dieser Mann seine 'Dissertation' auf welche Weise zusammenkopiert hat, ist noch nicht klar, aber die Beweise, auf mittlerweile 62 % der Seiten (darunter bspw. ein mehrseitiges bei einem Referenten in Auftrag gegebenes Gutachten) seiner 'Dissertation', sind unzweifelhaft: Diese Arbeit ist in betrügerischer Weise entstanden. Die bloße Menge schließt Schusseligkeit schon aus, Wort-für-Wort-Vergleiche auf Faksimile-Basis, wie von der Süddeutschen vorgenommen, zeigen, dass die Kopien nicht absichtslos eingefügt sein können und dass diese Kopiervorgänge als geistige Eigenleistung dargestellt werden.
Ob nun von des Freiherrn eigener Hand ungeschickt zusammenkopiert oder von Ghostwritern, Referenten oder Praktikanten zusammengestoppelt - eine eigenständige wissenschaftliche Leistung ist das Werk auf keinen Fall. Also ist der Doktortitel obsolet.
Das ist in Expertenkreisen, die sich mit Dissertations- und Urheberrecht auskennen, auch vollkommen unumstritten. Interessanter - und fatal! - ist, dass der Doktor a. D. trotzdem noch eine Zweidrittelmehrheit der Bevölkerung auf seiner Seite hat, die das alles offenbar lässlich findet, getreu des Diktums von F. J. Wagner in der BILD: "Macht keinen guten Mann kaputt. Scheiß auf den Doktor."
Aber er ist eben kein guter Mann. Das sah man zwar auch schon an seinen bisherigen politischen Schlingerkursen (oder haben Sie geglaubt, der träte wirklich wegen Opel zurück?), doch die Fälschung einer Doktorarbeit fokussiert das Licht auf den Charakter des Mannes.
Eine Doktorarbeit ist der Nachweis der wissenschaftlichen Leistungsfähigkeit. Wer eine schreibt und sich dabei durch copy & paste oder Ghostwriting ganz bewusst dieser Leistungserbringung entzieht, ist erstens unehrlich und zeigt zweitens, dass ihm die Arbeit, das Durchdenken eines Themas und die intellektuelle Auseinandersetzung vollkommen egal sind, und dass es ihm nur um den Anschein geht. Mehr Schein als Sein - das ist, was zu Guttenberg mit dieser Arbeit erreichen wollte.
Normalerweise würde schon die nachgewiesene Unehrlichkeit ausreichen, um eine Person für eine Regierungsfunktion zu disqualifizieren, Herr Wagner. Aber früher trat man ja eh leichter zurück. (War das Ehrgefühl ausgeprägter?) Doch dass zu Guttenberg daran scheitert, eine echte Dissertation anzufertigen, zeigt auch seine Unfähigkeit. Er ist kein guter Mann, er sieht nur gut aus ...
Was ich jetzt immer wieder lese, und auch persönlich als Antwort zu hören bekomme, ist, dass das doch viele so machen und dass es sich um eine Lappalie handle. Solange er seinen Aufgaben gerecht wird, solle man eben ein Auge zudrücken ...
Nein, ganz entschieden, nein! Soll man nicht. Natürlich gibt es viele Menschen, die betrügen oder sich an der Grenze zum Betrug erfolgreich durch die Dinge lavieren. Aber wer erwischt wird, muss fliegen!
Denn was für ein Beispiel wird denn gegeben, wenn Lug und Betrug unsanktioniert bleiben? Mehr Schein als Sein ist immer der einfachere Weg. Aber die Anforderungen in Politik und Wirtschaft - und die Anforderungen im normalen täglichen Leben; in Schule, Sport, Beruf eines jeden Menschen - verlangen Leistungsfähigkeit zu ihrer Bewältigung. Diese nimmt aber rapide ab, wenn alle so tun wie Herr zu Guttenberg - was beispielsweise Goedart Palm in einem sehr desillusionierenden Artikel in der Telepolis hinzunehmen bereit scheint. Palm behält recht, wenn zu Guttenberg bleibt - doch hinnehmen sollte man eine solche Entwicklung nicht.
Wenn wir die Lehre einsickern lassen, dass man mit "so tun als ob" auch weiterkommt, werden die dann von den scheinbaren ExpertInnen immer unerfüllbarer werdenden Anforderungen die Gesellschaft überwältigen und ins Chaos stürzen. Zu Recht heißt es, wir in Deutschland besäßen nur den Rohstoff Mensch - wenn dieser Rohstoff sich nach den zu Googlebergs richtet, haben wir das auch verloren.
Der Presse hat Herr von und zu vor einiger Zeit im Geheimen anvertraut, er wolle in seinem nächsten Urlaub Platons Staat lesen. Na das ist mal eine gute Idee - dies großartige Buch über Ethik sei ihm ans Herz gelegt, besonders Seite 361a: "Denn der Gipfel der Ungerechtigkeit ist: gerecht scheinen, ohne es zu sein."
Samstag, 19. Februar 2011
Mit Steinen werfen!
Gerade berichtet die SZ, dass Edmund Stoiber Herrn Dr. a. D. Guttenberg mit dem biblisch inspirierten Satz zur Seite sprang: "Wer ohne Fehler ist, werfe den ersten Stein." Normalerweise nehme ich Fehlerlosigkeit sicher nicht für mich in Anspruch, in diesem Fall aber schon. Und werfe deshalb - nachdrücklich und mit echter Wut im Bauch - den Stein in Richtung des Schummelbergs: "Geben Sie den unverdienten Titel ab!"
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