Montag, 4. Oktober 2010

In fremden Welten. Impressionen von der Gründungskonferenz der GFF

Die Gesellschaft für Fantastikforschung e. V. ist letztes Wochenende mit der Konferenz Fremde Welten. Wege und Räume der Fantastik im 21. Jahrhundert gegründet worden – Glückwunsch an alle Beteiligten und Mitglieder, besonders aber an den Hauptorganisator Lars Schmeink, der ganz Erstaunliches auf die Beine gestellt hat. Und vielen Dank für all die Arbeit!

Aus dem Wunsch heraus, der Forschung über das Phantastische eine Organisation an die Seite zu stellen, und so alle Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, die sich mit dem Thema beschäftigen, nachhaltig zu vernetzen, ganz wie es die großen englischsprachigen Organisationen seit Jahrzehnten erfolgreich vorleben, entstand ein Verein, dessen erste Schritte in Hamburg an diesem Wochenende erwarten lassen, dass er dieser Aufgabe gerecht wird.

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Na gut, es war schon eine Art Klassentreffen, denn man kennt sich ja. Aber um etwas zu bewegen, bedarf es eben doch für viele Aufgaben der Organisation.

Was meiner Meinung aber noch wichtiger ist, ist das zweite Ziel, das sich ohne institutionelle Anlaufstelle auch nicht effizient verwirklichen ließe – die Einbindung von Wissenschaft in die außerwissenschaftlichen phantastischen Diskurse von Urhebern und Publikum. Autorinnen und Fans waren aufgerufen, sich an der GFF zu beteiligen, und der Ruf wurde von beiden erhört.

Wie wichtig das war, zeigte sich bei der anregenden Schlussdiskussion, auf der Autoren und Vertreter von Fanorganisationen über ihre Arbeit und Wünsche aufklärten und der Wissenschaft darlegten, was sie auch noch tun kann, außer innerhalb des Elfenbeinturmes zu agieren. Als grenzgängerischer Autor/Lektor/Experte bin ich persönlich diesen Anliegen natürlich besonders zugeneigt, hatte aber den Eindruck, dass das allgemein als ganz wichtiger Punkt empfunden wurde. Die Verbindung zum Publikum und zu den Autoren (natürlich auch Regisseure, Designer, Musiker - zu allen Urhebern eben) ist wesentlicher Bestandteil des GFF und darf nicht aus den Augen verloren werden.

Inhaltlich war die Konferenz breit gefächert, aber trotzdem drängte sich mir durchgängig der Eindruck einer Zweiteilung innerhalb der wissenschaftlichen Interessen auf. Ganz salopp gesagt, bezeichne ich das mal als das unterschiedliche Erkenntnisinteresse an Struktur und Inhalt der Fantastik, das dann auch zu Reibungen und (wahrscheinlich vermeidbaren) Inkompatibilitäten führte. Jedenfalls scheint mir da im Augenblick noch eine vermittelnde Instanz zu fehlen, die Inhalt und Struktur zusammenbringt, vielleicht sogar zu konzertierten Forschungsvorhaben. Noch jedenfalls erstreckt sich die Inkompatibilität bis hin zu einer Unvereinbarkeit in der Terminologie.

Und nein – dies für diejenigen von Ihnen, die dabei waren – damit meine ich zwar auch, aber bei Weitem nicht nur den Disput zwischen Uwe Durst und mir (der sich im Übrigen im persönlichen Gespräch viel weniger scharf darstellte); diesen Eindruck empfand ich fast durchgängig, je nachdem in welchem Panel man gerade saß. Während die einen streng die Form untersuchten, machten sich die anderen – etwa äußerst launig Marleen Barr mit ihrer Beobachtung, dass man die New York Times nicht verstehen kann, wenn man nicht weiß, wer Spock und Darth Vader sind, dass man also die „language of science fiction“ beherrschen muss – über die Lebenswirklichkeit her und berichteten davon, wie die Phantastik diese beeinflusst.

Festgehalten werden muss dabei, wie ich finde, dass beide Aspekte ihre volle Berechtigung haben, was die Forscherinnen und Forscher dann auffordert, sich dem anderen Erkenntnisinteresse zumindest so weit aufgeschlossen zu zeigen, dass man anerkennt, dass es eine Daseinsberechtigung hat. Und vielleicht findet man ja doch auch noch auf Arbeitsebene zueinander – ich bin sicher, man würde sich gegenseitig befruchten.

Grundsätzlich sind die Inkompatibilitäten beider Betrachtungsweisen nämlich nicht, sondern vom jeweiligen Erkenntnisinteresse abhängig. Wenn ich also höre, dass in einer Diskussion, an der ich nicht teilnahm, gesagt wurde, mein Realismusbegriff sei „noch eindimensional“, dann verweise ich darauf, dass ich diese Eindimensionalität benötige, wenn ich das Verhältnis von fiktivem Inhalt und der nichtfiktionalen Lebenswelt untersuche und sie deshalb für diese Fragestellungen beibehalten werde. Bei der Betrachtung anderer Aspekte kann das anders aussehen.

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("Lesender" - aus Anwyn - eine phantastische Reise)


Was ich zudem mit einem gewissen Erstaunen bemerkte, ist, dass man sich offenbar immer noch dafür entschuldigen muss, wenn man sich als Wissenschaftlerin ernsthaft mit Phantastik beschäftigt. Das korrespondiert dann mit der Aussage der Autoren, dass man weiterhin nicht als richtiger Schriftsteller anerkannt wird und mit dem Bericht der Fans, dass man sowieso aus der Spinnerecke komme. Da hätte ich gedacht, dass wir auch in Deutschland mittlerweile weiter wären.

Doch es wurde nicht nur berichtet, dass man sich rechtfertigen muss, auch der Duktus sehr vieler Vorträge war von dieser Haltung geprägt und kaum jemand kam ohne apologetische Anmerkungen aus, die insgesamt von einem zu Unrecht unterentwickelten Selbstbewusstsein sprachen. Das mache ich zwar auch oft, aber ich habe eben in den letzten Jahren öffentlich auch hauptsächlich entweder mit Fans zu tun, denen ich Munition zur Verteidigung ihrer phantastischen Leidenschaft an die Hand geben möchte, oder spreche andererseits vor Unbeteiligten oder Skeptikern, denen ich darlegen muss, welche Formen von Relevanz die Phantastik annehmen kann. (Lassen Sie sich bspw. mal einladen, vor Rotariern über Fantasy zu sprechen – man schaut sie an wie ein exotisches Tier, aber nach dem Vortrag haben Sie manches Auge geöffnet.)

"Amerika (und UK), Du hast es besser" – im englischsprachigen Raum scheint das längst nicht mehr so ein Problem zu sein. Warum nicht das gleiche Selbstbewusstsein hier? Brian Stableford jedenfalls forderte in seiner Keynote „the GFF should explore the possibilities and and not only defend the phantastic against its critics“. Genau!

Die Defensivität kann natürlich auch von einer gewissen Vereinzelung oder besser Insellage der heterogenen Gruppen, die sich mit Phantastik beschäftigen, herrühren, denn man ist sich der argumentativen und anderer Stärken der anderen nicht unbedingt ausreichend bewusst. Dem genau kann natürlich eine Organisation wie die GFF und eine offengehaltene Tagung wie die „Fremden Welten“ Abhilfe verschaffen und hat dies auch in ersten Schritten schon getan.

Nächstes Jahr Salzburg und 2012 Zürich werden das fortsetzen und die neuen und alten Bekanntschaften aus Hamburg werden die Inseln mit Fähren und Brücken verbinden, so dass man insgesamt über die Gründungskonferenz sagen kann: Voller Erfolg!


Dienstag, 7. September 2010

Neue Kurz-Geschichte(?): Collage - Eine typische Bewerbung

Bewerbungsschreiben können recht erhellend sein. Erhellendes über das Individuum, eine Gruppe oder eine ganze Gesellschaft offenbaren.

Ich habe mal eine typische Bewerbung zusammengestellt, die ... sozusagen ... auf wahren Begebenheiten beruht. Und in der wir uns hoffentlich nicht mehr wiederfinden. Bitte sehr:
Die Collage einer Bewerbung.

Samstag, 4. September 2010

Netzveröffentlichungen richtig einordnen. Appell für ein "Neues Lesen".

Neulich habe ich auf Facebook einen sich selbst verstetigenden Fehler begangen, als ich impulsiv die Story des Filmes Inception als “genial” lobte. Aber zumindest brachte mich dieser Ausrutscher, im Zusammenspiel mit einem Artikel von Thomas Darnstädt im Spiegel - zum Nachdenken über die Art und Weise wie wir im Internet lesen oder schreiben ... sollten?

Darnstädt äußert die Sorge, dass die Digitalisierung der Öffentlichkeit die Öffentlichkeit selbst zerstören könnte, denn der ständige und bleibende Zugriff auf nahezu alle im öffentlichen Raum erzeugten Daten bewirke, dass man sich nicht mehr in die Öffentlichkeit des Netzes traue:
“Die erste Hoffnung des Bürgers, der etwas Dummes gesagt hat, ist die, dass es keiner gehört hat. Doch Google findet alles. Die zweite Hoffnung, dass es irgendwann in Vergessenheit gerät. Doch digitale Speicher halten sehr lang.”

Wir reden dabei nicht über Meineide, Steuerhinterziehung oder Ehebruch, sondern über alle möglichen Dummheiten, die man so begehen kann. Wie beispielsweise die, einem Film Genialität zuzusprechen, auch wenn er sie im wahren Sinne des Wortes nicht hat.

Doch, doch; ich finde Inception immer noch “genial” - aber eigentlich mehr so im Sinne von geil oder toll. Simon Spiegel, der durch ein sehr gutes Buch über die Poetik des Science-Fiction-Films bekannt wurde, wies aber zurecht darauf hin, dass der Film doch einige Ungereimtheiten aufweise.

Richtig. Und damit - das hat Simon jetzt netterweise nicht gesagt - kann man die Story schwerlich als wirklich genial bezeichnen, denn diese Schwächen widersprechen dem, was man im Allgemeinen als genial ansieht (“genial” laut Fremdwörterduden: “großartig, vollendet”).

Blöde Sache, oder? Der bekannte Autor, der landauf, landab über die Phantastik doziert, macht einen solchen Fehler. Und jeder kann den jetzt “hören” und das Netz wird ihn nicht mehr “vergessen”. Und das trifft auf Millionen anderer digitalisierter Äußerungen zu, die Millionen anderer Menschen jetzt oder später gerne wieder einfangen würde ... Chef-Schelte, Kotz-Videos, Wutausbrüche - was auch immer ...

Wie geht man damit um? Neben der Verweigerung der Teilhabe gibt es eigentlich nur zwei Möglichkeiten: Neues Schreiben (vorsichtigeres, zurückhaltendes ... unehrliches Schreiben) aneignen oder Neues Lesen lernen.

Auf die Verweigerung der vernetzten Kommunikation gehe ich jetzt nicht ein, das ist ein anderes Thema. Auch ein anderes Thema ist, dass man sich oftmals nicht verweigern kann, obwohl man dies vielleicht vorzöge.

Neues Schreiben (darunter fällt auch das Posten von Video, Audio - gemeint ist jede ‘Lautäußerung’ im Netz) ist im Grunde das, was die meisten Medien und Bildungsinstitutionen als Ratschlag anbieten: Sei vorsichtig! Denk drei Mal nach, bevor Du einmal schreibst! Halte möglichst viel zurück! Denke strategisch! Stell Dich vorteilhaft dar!

Ja ja, das ist sicherlich das Klügste ... Aber ist es auch das, was ich sein will? Nöö. Denn das bin ich nicht, zumindest nicht nur. Ich bin nicht nur vorsichtig; ich bin impulsiv, manchmal einfach mitteilsam und will, wenn schon darstellen, dann mich darstellen, wie ich bin. Aber das ist natürlich nur ein persönliches Problem.

Vor allen Dingen kollidiert das Neue Schreiben aber mit grundlegenden Freiheits- und Demokratiegedanken. Das kontrollierte Posten von Inhalten, die in erster Linie mit dem Blick auf ihre eigenpositive Wirkung angefertigt wurden, stellt nichts weniger dar als die Schere im Kopf und ist somit Zensur aus vorauseilendem Gehorsam.

Zu Freiheit und zu demokratischem Zusammenleben gehört aber, sich gemäß der eigenen Überzeugungen einzubringen. Es ist letztlich der berühmte Habermas-/Apelsche herrschaftsfreie Diskurs, der vom Neuen Schreiben unterdrückt wird und somit ein Rückschritt bis mindestens vor die gesellschaftspolitischen Erkenntnisse der späten Sechziger des letzten Jahrhunderts.

Aber da ist doch das Diktat des imaginierten Personalchefs oder des einem in zehn Jahren über den Weg laufenden potentiellen Partners, die beide googeln können ... Wie entkommt man denen?

Gar nicht. Denen kann man nur durch das Neue Schreiben entgegenkommen. Es sei denn natürlich, diese beiden - und alle anderen Menschen - gewöhnten sich das Neue Lesen an.

Das Neue Lesen ist in erster Linie ein kontextbezogenes Lesen, das den Leser auffordert, die Umstände eines Postings immer mitzuberücksichtigen. Im Zeitungsartikel oder wissenschaftlichen Arbeit gelten andere Regeln, als im Small Talk. Privat kann heute öffentlich stattfinden und ist doch nicht das Gleiche wie eine Publikation. Und in sozialen Netzwerken kommt beides vor.

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Öffentliche Kommunikation: nicht immer schlau oder schön ...

Angebereien, Streiche, Unwahrheiten - das sind vollkommen normale zwischenmenschliche Vorkommnisse, die eben auch ihren Weg ins Netz finden können. Auch Lügen sind im täglichen Miteinander nötig, um sich und andere zu schützen und zu schonen. All das ist im Netz ebenso entschuldbar - und sollte entschuldigt werden -, wie wir das üblicherweise in der physischen Welt auch tun.

Selbst so etwas Ekliges wie die Teilnahme an Cybermobbing (solange nicht gerade Rädelsführerschaft beweisbar ist) ist gemein, kann aber prinzipiell entschuldbar sein. Wer meint, das nicht vergeben zu können, sollte an das Glashaus derjenigen gruppendynamischen Prozesse denken, in denen er selbst gefangen ist. Das Neue Lesen geht jedenfalls ebenso nachsichtig mit den Internetteilnehmern um wie mit einem fassbaren Gegenüber, den Sie ja hoffentlich auch nicht sofort verdammen.

Fast jeder Jugendliche hat auf einer Fete schon einmal Scheiß fabriziert, und es ist auch nicht unbedingt unterhaltsam, derartigem Unsinn auf YouTube zuzuschauen. Aber es disqualifiziert ihn oder sie auch in keiner Weise, wenn der Blödsinn mal videotechnisch dokumentiert wurde. Also - Schwamm drüber. Usw.: Unbequemes auch mal überlesen, nicht alles auf die Goldwaage legen, Nachsicht zeigen. Und selbst doch immer versuchen, sich an die Netiquette zu halten! Dann wird es schon was mit dem Netznachbarn ...

Was wir lernen müsse, ist, die neuen Formen der Schriftlichkeit richtig einzuordnen und sie nicht mit der alten Schriftlichkeit zu verwechseln. (Dazu gehören, wie gesagt, auch Foto, Video und Audio - vielleicht sollten wir von neuen Formen unvergänglicher Kommunikationsinhalte reden, wenn das nicht so sozio-bürokratisch klänge.)

Das hat es ja auch schon einmal in ähnlicher Form gegeben. Die grandiose Briefkultur ab dem 18. Jahrhundert in ganz Europa unterschied sehr wohl die gelehrten publizierten Schriften von den manchmal auch gelehrten, oft aber auch einfach persönlichen, frechen, unbedachten und flapsig dahingerotzten Briefen, ohne dass letztere gleich den Ruf ihrer Schreiber wie Voltaire, Goethe oder Heine in den Dreck gezogen hätten.

Für den gefürchteten, angeblich IT-belesenen Personalchef unserer Zeit heißt das: Lerne das Neue Lesen! Trenne Privates von beruflich Relevantem und erinnere Dich vor allem daran, dass Du früher in der Jugend und heute im Privatleben auch anders auftratest und -trittst.

(Wenn es dann aber bei aller hoffentlich nun einsetzenden Fairness doch einfach nicht zu ertragen ist, dass jemand sich so und so darstellt, dann ist es wahrscheinlich sowieso besser, dass diese beiden nicht beruflich zusammenkommen.)

Das Neue Lesen ist jedenfalls dem zur Zeit viel vehementer geforderten Neuen Schreiben weit überlegen: Es ist ehrlicher, entspricht unserem sozialen Wesen viel mehr und es hilft, Öffentlichkeit und demokratische Teilhabe zu erhalten, die das Neue Schreiben durch die Schere im Kopf in der Tat bedroht.

So, und jetzt rümpfen Sie bitte nicht mehr die Nase über die Castle Age-Battle Requests auf meiner Facebookseite, die gehören nämlich manchmal auch zu mir ...



Freitag, 30. Juli 2010

Traumfragment

Nachdem ich heute Nacht ziemlich lange einen Traum geträumt habe, in dem es um ständige Anstrengungen, Ängste und diffus-gefährliche Situationen ging, wachte ich frühzeitig auf und konnte mich nur noch an das Ende des Traumes erinnern. Es war eine zutiefst traurige Szene, die man, bei entsprechend misanthropischer Grundstimmung, als gleichartiges Ende einer jeden Geschichte bezeichnen könnte:

[Die Szene scheint auf einer leeren Ebene zu spielen, unterbrochen nur von zackigen, aber nicht allzu großen Gebilden, die ebenso gut Steine wie Schrott sein könnten. Der Himmel ist gelb und hängt tief über dem Land. Ein paar Wolkenfetzen - oder Rauch? - schweben nahe des Bodens in der Luft. Dieser Boden ist dreckig und von Pfützen bedeckt.]

Sie erhoben sich langsam und blickten müde über die weite, desolate Ebene hinweg. Sie waren verschwitzt und stanken und viele bluteten. Und es waren nicht nicht mehr alle dabei, auch wenn die meisten es geschafft hatten.

Der junge Chris fragte: "Und das war es nun? Das war alles, was wir erreichen konnten?"

"Ja", antwortet irgendjemand.

"Und das wird immer so sein?"

"Ja."

"Und deshalb werden wir immer diese Geschichte erzählen?"

"Ja."

Chris schüttelte den Kopf und begann loszustapfen ...

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(Foto aus "Anwyn" von Juxart; www.juxart.de)

Donnerstag, 10. Juni 2010

Thilo Sarrazin trägt kräftig zur Verdummung des Volkes bei

Der Bundesbankvorstand und ehemalige Berliner Senator Thilo Sarrazin beklagte sich auf einer Veranstaltung zum Thema Bildung, dass Deutschland "auf natürliche Weise verdumme", und dass dies an den Einwanderern liege, schreibt der Spiegel gerade. Nun, für seine rassistischen Ausfälle ist der Mann ja bekannt, aber das mit der Verdummung hat er nicht kapiert und ist damit selbst ein viel stärkerer Faktor bei der Volksverdummung als die MigrantInnen.

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Herr Sarrazin beklagt nämlich, dass MigrantInnen in der Regel weniger gebildet seien als Einheimische - womit er leider Recht hat. Aber das liegt an den mangelnden Bildungsmöglichkeiten in den Herkunftsländern und außerdem kann man dem abhelfen, denn Bildung ist vermittelbar, an jede, jeden und in allen Altersstufen. Und Bildungsdefizite als kultureller Minderbesitz haben nicht das Geringste mit Intelligenz zu tun, weshalb sie auch nicht zum Verdummen beitragen können.

Aber so etwas Ähnliches muss auch Herr Sarrazin mal gehört haben, denn im Weiteren sprach er gar nicht mehr Bildung, sondern in der Tat von Intelligenz und befand, dass MigrantInnen nur über mindere Intelligenz verfügten. Das sagt aber hauptsächlich etwas über die Bildung und dann auch die Intelligenz von Herrn Sarrazin aus.

Wäre er nämlich gebildet, wüsste er, dass erstens alle Versuche, unterschiedlichen Ethnien Intelligenzunterschiede pauschal nachzuweisen, gescheitert sind. Und er wüsste - hat der arme Mann nicht einmal Geschichtsunterricht gehabt? -, dass gerade Völkerstämme aus dem vorderasiatischen Raum der Menschheit die Kultur und die Wissenschaften gebracht haben, was schon aus stammesgeschichtlicher Sicht Minderintelligenz ausschließt.

So viel zu Herrn Sarrazins Bildung - er könnte ja mit MigrantInnen die Schulbank drücken, um sich wenigstens ein bisschen diesbezügliches Niveau anzueignen. 

Aber der Mann war Senator und ist Bundesbankvorstand - verantwortungsvollste Posten, die von Intelligenzlern bekleidet sein sollten. Da der Mann aber seine offensichtlichen Defizite nicht erkennen kann, ist ein Intelligenzmangel zu befürchten ... in der Vorstandsetage der Bundesbank - oh wei. 

Sarrazin hat also doch recht: Wir Deutschen verdummen durchschnittlich, wenn schon unsere 'Besten' solche Schwächen zeigen. Außer - aber das wollen wir ja mal nicht vermuten - der Mann würde das einfach alles aus boshaftem, rassistischem Kalkül erzählen und weil sich in diesen führungslosen Zeiten so trefflich am rechten Rand Aufmerksamkeit erheischen lässt.



Montag, 7. Juni 2010

Wir für Gauck - bitte unterschreiben!

Ein bisschen spät, aber nicht zu spät (ich hatte leider schon wieder Schwierigkeiten mit meinem Blog, dieses Mal war der Server von Google schuld) ein Hinweis: Die Site Wir für Gauck online gegangen, eine Internetseite, die dazu aufruft, eine Petition zu unterzeichnen, die fordert, dass Joachim Gauck zum Bundespräsidenten gewählt wird.

Das kann ich nur unterstützen. Zum Einen weil Herr Gauck ein integrer, ehrenwerter Mann und durch und durch Demokrat ist, obwohl ich mit ihm politisch persönlich nur teilweise übereinstimme. Aber er wäre ein guter, überparteilicher und mutiger Präsident, der sich für die Belange des Volkes einmischt, was man von der Politik ja leider immer weniger sagen kann, die mehr und mehr nur sich selbst beachtet.

Zum Anderen nämlich geht es, wie ich finde, auch darum, Merkels reine Machtspielchen zu durchkreuzen oder wenigstens zu zeigen, dass man die Spielchen durchschaut und ablehnt. Es geht der Kanzlerin doch überhaupt nicht um die Person Wulff, sondern allein um Taktiererei! Die Rheinische Post schrieb Anfang letzter Woche, dass es manche Quelle in Berlin gäbe, die bestätige, dass Frau Merkel seit ihrer Wahl letzten September nur noch an eines denke - an die nächste Bundestagswahl. Das glaube ich unbesehen.

Wulff wird nicht zu verhindern sein, aber Aktionen wie die der Site Wir für Gauck werden immer wirksamer. Auch diese Site wird Wulff nicht verhindern, aber sie ist ein weiteres wichtiges Bausteinchen auf dem Weg zu mehr Bürgerbeteiligung. Und um die muss es gehen, wenn unverantwortliche PolitikerInnen wie Frau Merkel durch ihre kurzsichtigen Taktiken die Politikverdrossenheit schüren, bis irgendwann wieder ein Extremist ans Ruder gewählt wird ...

Ich würde mich sehr freuen, wenn Sie auch unterzeichnen!


Donnerstag, 27. Mai 2010

Vom handfesten Wert der Bücher, ja des Informationszugangs überhaupt

Die Anzahl von Büchern in einem beliebigen Haushalt weltweit ist der wichtigste Prädikator für das formale Bildungslevel, das Kinder statistisch gesehen in diesem Haushalt erreichen werden; wichtiger noch als das Einkommen, wichtiger auch als der Bildungsstand der Eltern. Einfach gesagt gilt, dass in der Rückschau auf den Bildungsweg von Kindern diejenigen einen umso höheren formalen Bildungsabschluss erreichen, je mehr Bücher im Haushalt der Eltern vorhanden waren. Die Anzahl von Büchern in einem Haushalt erlaubt also eine zuverlässige relativ Voraussage, welchen Abschluss die Kinder erreichen werden. Das wurde jetzt in einer groß angelegten, über 20 Jahre und weltweit durchgeführten Studie eindrucksvoll bestätigt: EScienceNews

Neu ist diese Erkenntnis nicht unbedingt, denn dementsprechende internationale Bildungsstudien haben schon immer in diese Richtung gewiesen, aber es ist noch nie so eindrucksvoll bestätigt worden. Das war überhaupt so das beeindruckendste aus meiner Zeit als Bildungsforscher am Institut für Schulentwicklungsforschung in Dortmund - dieser Befund war immer stabil.

Natürlich muss man diese Ergebnisse mit den Augen der Statistik sehen - wer versäumt hat, seinen Achtjährigen in der Vorschulzeit und in der Schule zu helfen, der erreicht auch keine Gymnasialempfehlung dadurch, während des vierten Schuljahr 500 Bücher auf dem Flohmarkt zu erwerben. Aber generell gilt eben doch, dass Buchbesitz mit Bildungsaffinität durch durchschnittlich höheres Wissen einhergeht. In der Regel werden die vorhandenen Bücher eben doch benutzt, und nichts regt Nachahmung besser an als die Vorbildfunktion der Eltern.

Und dabei kommt es überhaupt nicht auf die Zusammensetzung der heimischen Bibliothek an - niemand muss sich schweren Herzens durch die Buddenbrooks, Eichendorffs gesammelte Gedichte und die Werke Platons im altgriechischen Original quälen, der dies nicht möchte. Der Einfluss auf die Kinder entsteht durch Bücher aller Art; schon die gesammelten 2500 Perry Rhodan-Bände oder das komplette Das Schwarze Auge sind wirksam.

Nur ... lassen Sie sich überhaupt von Ihren Kindern ab und zu mit einem Buch in der Hand erwischen. Und wer täglich GZSZ braucht, richtet auch nix Schlimmes an, erst wenn Sie nur GZSZ, GNTM, DSDS und was weiß ich für ´nen Murks (WWIFNM) sehen, während das einzige Buch im Haus die Bedienungsanleitung fürs Handy ist, geben Sie ein schlechtes Vorbild ab.

Doch wird es so bleiben, dass Buchbesitz der wichtigste Prädikator für die Bildung von Kindern ist? Ich glaube nicht beziehungsweise nehme an, dass man eben unbedingt E-Books und auch sonstige digitale Informationsquellen hinzuziehen muss. Bildung läuft schon jetzt nicht mehr nur in Form von Buch- und Zeitungskonsum ab, die Vernetzung spielt eine große Rolle.

Und deren Bedeutung wird zunehmen. So ein Ding wie das iPad wird vielfach angeboten werden, es wird billiger werden und es wird den kombinierten Informationskonsum durch das geschriebene Wort, Animation, Film und Audio selbstverständlich werden lassen. Das erfordert natürlich eine darauf ausgerichtete Ausbildung, die lehrt, wie man die so dargebotenen Informationen einzuschätzen hat. Das jetzt schon vielerorts selbst in der Bildung anzutreffende unkritische Zitieren von Wikipedia etwa, ist weniger prickelnd.

Aber ob 2,5 kg schwerer Lederschmöker oder iPad; die Vorbildfunktion im Mediengebrauch wird unverändert bleiben und wie Sie damit umgehen, wird sich an Ihre Kinder weitervererben.