Mittwoch, 12. Mai 2010

Ein Jahr Facebook-Erfahrungen: Teil 2, Die Spiele

Seit einem Jahr bin ich jetzt Mitglied bei Facebook, dem größten der social networks, Grund für einen kleinen Erfahrungsbericht in vier Teilen. Dies ist Teil 2, der sich um eine Facebook-typische Besonderheit dreht, die es so exzessiv lange nicht in allen Netzwerken gibt: die Spiele.

Die zeitraubende Sogwirkung von Facebook entsteht einerseits durch die Software-Angebote, hauptsächlich die Spiele, und durch die Kontakte, gerade auch die Beobachtung von Kontakten andererseits. In diesem zweiten Teil geht es um die Spiele.

Alle FB-Spiele, die ich kenne - Mafia Wars, Farmville, Zoo World, Castle Age - basieren auf der Befriedigung des Sammeltriebes: Durch regelmäßige Teilnahme und den Aufbau eines wachsenden Kreises von Mitspielern, Teammitgliedern, Mitkämpfern verbessert man Fähigkeiten und vermehrt den Besitz an Zootieren, Feldfrüchten, Waffen usw. Das ist schlicht, aber es funktioniert bei Millionen von Menschen, auch bei mir.

Und ja, ich gebe sogar echtes Geld für virtuelle Gegenstände aus. So lange das im Rahmen bleibt, ist das nur halb so dämlich, wie es sich anhört. Denn es ist ja gar nicht so, dass man Euronen für Nichts hinblättert. Das Geld wird ja nicht für die in der Tat nicht vorhandenen Gegenstände ausgegeben, sondern für den Unterhaltungswert, den diese Gegenstände bringen. Gebe ich ein paar Euros aus, so kann ich mit den erworbenen Dingen lange Zeit auf einem Level mitspielen, das ohne diese nicht oder nur durch ungleich mehr Zeitaufwand möglich wäre. Da ich von vielleicht 10 Euro in auch nicht jedem Monat rede, aber sicherlich pro Monat zehn Stunden spiele, ist das immer noch deutlich günstiger als ein Kinobesuch.

Der Kinobesuch ist nicht zu vergleichen, weil er als kulturelles Erlebnis ungleich wertvoller ist, denn hirnloses Onlinespielen? Mag sein, aber nicht bei meiner Kinoauswahl, mindestens die Hälfte der Filme, die ich sehe, sind keine Güter der Hochkultur, sondern dienen einfach dem Ausspannen, wie das Onlinespiel.

Onlinespiele sind natürlich Zeitverschwendung, denn ich könnte diese zehn Stunden im Monat sicherlich sinnvoller verbringen. Aber ich verbringe fast den ganzen Tag ‘sinnvoll’ und zielgerichtet. Da freue ich mich, wenn ich ein Lektorat mal für zehn Minuten unterbrechen kann und mal eben in Mafia Wars ein paar Morde begehe oder in Castle Age helfe, den Drachen zu erschlagen. (Das ist pädagogisch bedenklich? Ach, Quatsch, diese Spiele sind von der Realität doch völlig unbeleckt.) So einfach bekomme ich eine kleine Auszeit sonst nicht, von diesen 10 Minuten verschlänge Dragon Age allein schon knapp 5, dafür dass ich rübergehe, die Konsole einschalte und das Spiel starte.

Bedenklich ist bei diesen Spielen nur die Sogwirkung. Die verspüre ich zwar, aber dem Sog zu widerstehen finde ich leicht, also spiele ich weiter. Aber ich sehe auch, dass andere da anders mit umgehen, und zwar so, dass ich nicht glauben kann, dass ihnen das gut tut. Durch die Statusmeldungen von Spielern kann man sehen, wie oft und wie lange jemand spielt, und das finde ich manchmal gar nicht so gut, obwohl es mich natürlich nichts angeht.

Durch die Spiele habe ich eine ganze Reihe von FB-’Freunden’, die ich nur als Mitspieler kenne, sonst weiß ich nichts über sie. Da ist beispielsweise dieser ältere, männliche US-Amerikaner, der fast rund um die Uhr 10 und mehr verschiedene Spiele spielt. Er schläft offenbar nur sehr wenig und scheint auch nicht mehr zu arbeiten, denn in fast jeder Stunde des Tages schickt er mindestens eine Statusmeldung aus einem Spiel heraus. Das ist eine Nutzung, hinter der kein ausgeglichener, zufriedener Mensch stecken kann, oder? Und er ist nicht der einzige, der so spielt. Meist sind es übrigens Frauen, die dieses Übermaß an Spielmeldungen produzieren.

Der Verdacht liegt nahe, dass in diesen Leben das reale Leben und die Familie, Freunde, Sport, Arbeit eine zu weit untergeordnete Rolle spielen. Da muss jeder selbst drüber nachdenken, was gesunde Ablenkung ist und ab wo es bedenklich wird. Und bei Kindern und Jugendlichen ist sicherlich Aufklärung und Begleitung nötig, um zu helfen, dass sich Prioritäten nicht verschieben. Und Arbeitgeber kann ich schon verstehen, wenn sie die Nutzung von Onlinespielen untersagen. Ich werde nach den Texten bezahlt, die ich schreibe oder überarbeite, aber wenn jemand nach Zeit bezahlt wird, ist der Wunsch, dass diese ungeteilt dem Bezahlenden gehört, legitim.

Ein Gedanke dazu nur noch: Wenn jemand so exzessiv spielt ... trägt das Spiel die Schuld daran? Oder läuft da nicht etwas anderes schief - Einsamkeit?, Angst? -, dass er oder sie sich so an diesen unzureichenden Ersatzerlebnissen festhält?

Aber insgesamt gesehen, sollte man die Kirche im Dorf lassen. Die Spiele sind schon ganz OK, wie immer ist es die Dosis, die ein Gift draus macht.


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