Mittwoch, 19. Mai 2010

Ein Jahr Facebook-Erfahrungen: Teil 3, Die anderen Leute

Sorry, dass es dauerte, aber mein Hauptrechner war mit dem ungesicherten Text dieses Vierteilers abgerauscht und befand sich eine Woche in Reparatur. Ich bin froh, dass es nicht die Platte erwischt hatte ...

Seit einem Jahr bin ich jetzt Mitglied bei Facebook, dem größten der social networks, Grund für einen kleinen Erfahrungsbericht in vier Teilen. Dies ist Teil 3, in dem ich erzähle, was mir an den anderen auf Facebook so auffällt.

Einfaches Lesen von Facebook-Profilen kann schon eine faszinierende Beschäftigung sein. Da werden Wortfetzen veröffentlicht, Witze angedeutet oder erzählt, Stichworte führen zu Kommentarkaskaden und manchmal finden ernsthafte Gedankenaustausche statt.

Die Presse mokiert sich relativ häufig über die Sinnlosigkeit von Befindlichkeitsäußerungen und Statusmeldungen der Art “Trinke Kaffee”, “habe Kopfschmerzen”, “gehe zu Bett”. Blödsinn! Es gibt Leute, denen bedeuten selbst diese unbedeutenden Informationsfetzen etwas, und für die wird das geschrieben. Allen anderen genügt eine Sekunde des Überfliegens, um mit den Augen weiter zu huschen, bis sie was Interessanteres lesen. Niemand wird gestört, der sich nicht gestört fühlen will.

Ja, es gibt auch Dinge, die mich nerven. In FB sind das besonders die Statusmeldungen der Art “Wer seine Kinder/Partner/Eltern/Hunde/Ascheimer liebt, der lässt diese Statusmeldung für eine Stunde in seinem Profil stehen”. Und ja, das animiert zum Brechen ... aber mein Gott, auch darüber kann ich hinweglesen ...

Das Hinweglesen kommt von ganz allein. Ich gehe jetzt mal eben rüber in den Browser und schaue auf meine Startseite: 43 Statusmeldungen, zwei Drittel von Leuten, die ich nicht wirklich kenne, die meisten dieser Meldungen aus Spielen heraus generiert. Diejenigen, die ich kenne, posten u.a.: einen YouTube-Link, jemand schreibt, er fahre zum Flughafen, eine meldet, dass sie die Software Digsby zum 1000sten Male genutzt habe, einer hat gerade Blumen gekauft. Fazit: recht belanglos.

Und so ist es meistens. Aber der Blick hätte auch nur Sekunden gedauert, wenn ich nicht gerade für Sie gezählt hätte. Was verliere ich also, wenn ich die Seite sporadisch im Blick behalte? Ein, zwei Minuten am Tag. Was gewinne ich? Also mindestens einmal täglich ist was Interessantes, Neues, Berührendes, Lustiges dabei. Und das gewinne ich durch die Investition von ein, zwei Minuten täglich.

Und außerdem finde ich es auch eine beruhigende Lebensäußerung, wenn jemand schreibt, er fahre jetzt zum Flughafen oder sie kaufe Blumen. Und der belanglose Blumenkauf ist für zwei Leute nicht belanglos, für den Käufer und den Empfänger nämlich und für die freue ich mich, dass sie etwas kleines Schönes teilen werden.

Ich gewinne vor allem Einblicke in das Leben anderer Menschen. Und Menschen interessieren mich. Freunde und Bekannte sowieso, aber auch Fremde. Und was die Fremden angeht, ist das mit den FB-Spielen einfach faszinierend.

Glücklicherweise nehmen ja fast alle den Datenschutz wenigstens ein bisschen ernst und öffnen ihre Profile nicht für alle Menschen. Also erführe ich nur etwas von Freunden und Bekannten, wenn es nicht die Spiele gäbe. Für die muss man sich nämlich mit anderen fast immer ‘anfreunden’, so dass man auch deren Profile lesen kann. Und das sind wirklich Leute aus aller Welt. (Ich weiß, eigentlich wäre es besser, wenn man Freunde und Mitspieler irgendwie trennen könnte, aber mir gefallen die kleinen Einblicke auch irgendwie.)

Also lese ich bei der einen Engagement gegen die British Nationalist Party - schön. Bei einer anderen verstehe ich kein Wort - klar, eine Malayin, die in der Landessprache schreibt. Dieser Typ hingegen schreibt mal chinesisch, mal Englisch und anhand der englischen Meldungen gewann ich in den letzten Wochen den Eindruck, dass es ihm trotz hartem Job ziemlich gut geht. Dann wieder diese Amerikanerin, die sich für die Tea Party-Bewegung einsetzt und oft ziemlich rechtsextremen Stoff postet, der immer wieder von herrlicher Ignoranz der Weltlage zeugt. Eigentlich wollte ich die ja blocken, aber andererseits ist es gut zu wissen, was die anderen so fühlen, auch wenn sie mir politisch so gar nicht passen. Oder der Typ, der mindestens einmal wöchentlich seinen Stolz auf die us-amerikanischen Streitkräfte postet. Auch nicht meine Wellenlänge, aber er engagiert sich zuhause auch sozial.

Ob das alles so stimmt, was die posten? Ich denke in den meisten Fällen schon. Das scheint mir zu allergrößten Teilen doch sehr authentisch zu sein. Menschliche Schnappschüsse aus den USA, China, Saudi-Arabien, Südafrika, Australien, Großbritannien, Litauen, Russland, Spanien - ich mag das sehr! Und manchmal komme ich für ein paar Zeilen auch mit jemandem ins Gespräch. Das ist dann besonders cool.

Wie gesagt: Es gibt keine echte Vertrautheit bei reinen Onlinekontakten. Aber es gibt das Kennenlernen von interessanten Menschen, bei denen man sich vorstellen kann, dass man mit ihnen befreundet sein könnte, wenn sie wirklich so sind, wie sie online erscheinen. Es wird wahrscheinlich so gut wie nie zu diesem real life-Kontakt kommen, aber ohne Netz und Facebook, hätte ich nie erfahren, dass es den oder die überhaupt gibt.

Der vierte und letzte Teil über die Besonderheiten des Kommunizierens in Facebook und social networks kommt nach Pfingsten. Bis dann ...

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