Dienstag, 25. Mai 2010

Ein Jahr Facebook-Erfahrungen - Teil 4, das Kommunizieren


Seit einem Jahr bin ich jetzt Mitglied bei Facebook, dem größten der social networks, Grund für einen kleinen Erfahrungsbericht in vier Teilen. Dies ist Teil 4, der Abschluss dieser kleinen Reihe, und dreht sich um die Besonderheiten der Kommunikation.

Stellen Sie sich vor, Sie seien in einer riesengroßen Kneipe, oder einer Aula oder Stadthalle, in der irgendein großes Fest stattfindet, und Sie könnten alle Gespräche, die dort geführt werden, hören. So ähnlich findet Kommunikation auf Facebook oder in anderen social networks wie MySpace oder den VZs statt. Das kann doch sehr anregend sein, oder?

Natürlich wissen auch alle anderen, dass man ihnen zuhören kann. Also werden sie wahrscheinlich nicht Zeuge einer Unterhaltung werden, bei der ein Freund dem anderen erzählt, dass er seine Frau betrügt. Oder in der eine Freundin der anderen darlegt, wie es ihr gelang, Steuern zu hinterziehen. Intimitäten aller möglichen Art werden Sie also - hoffentlich, denn die sollte niemand ausposaunen - nicht zu hören bekommen. (Und ich würde mir auch gut überlegen, ob ich sie per PM erzähle, denn man kann nicht wissen, wer auf diesen Plattformen alles mitlesen kann. Wenn schon Geheimnisse per Mail austauschen, dann nur sicher verschlüsselt.)

Die öffentliche Kommunikation in den Kommentaren auf den Profilen oder in einzelnen Gruppen ist eben genau das - für die Öffentlichkeit bestimmt. Was man bei ihrer Einschätzung berücksichtigen sollte.

Denn vielfach wird sich diese Art zu kommunizieren als sinnarm, oberflächlich und meist unverbindlich darstellen, sowie da, wo in Gruppen pointiert Themen oder Thesen vertreten werden, oftmals laut, überspitzt und vielfach verletzend daherkommen, wobei sie aber meist nicht ganz so hart gemeint ist, wie sie formuliert wird.

Dessen sollte man sich bewusst sein beim Mitlesen. Aber das ist nicht alles.

Denn die öffentliche Kommunikation kann genauso gut offen, ehrlich, herzlich, ja zärtlich sein und das Gefühl spenden, nicht allein zu sein, auch wenn man alleine vor dem Rechner sitzt. Man muss das “anstupsen” oder VZs “gruscheln” nicht mögen - ich mag’s nicht -, doch der Grundgedanke, dass da draußen jemand ein bisschen bei einem ist, ist schön. Und in gewisser Weise ist man ja auch nicht allein, denn die Kommunikationspartner sind ja mit den Gedanken bei einem. Ein Ersatz für echte Nähe ist dies zwar ganz klar nicht, aber wärmen kann einen dies virtuelle Herdfeuer doch ein bisschen.

Und diese Art der öffentlichen Kommunikation hat für die Schreibenden durchaus das Potenzial, ihnen zu erlauben, sich zu öffnen, etwas von ihren Sorgen und Ängsten damit abzubauen, während die Mitleser, die all diese Gefühle ja auch kennen, sehen, dass sie mit ihren dunklen Momenten nicht allein sind. Es gibt da ein sehr schönes Beispiel auf YouTube.

Kennen Sie den Song The Living Years von Mike & the Mechanics? Er handelt von dem tiefen Bedauern eines Sohnes, der nach dem Tod des Vaters erkennt, dass er sich nie richtig mit ihm ausgesprochen hat, und dass es nun zu spät dafür ist - ein tolles Lied ... Eine alte MTV-Version dieses Liedes steht auf YouTube (http://www.youtube.com/watch?v=uGDA0Hecw1k) und noch berührender als das Lied selbst sind die Dutzende Kommentare, die darunter stehen. So viele Menschen, die von ihren Vätern und ihrer Trauer berichten; echte Trauerarbeit, teilweise Jahrzehnte später. Auch das können Netzwerke leisten - schauen Sie es sich bei Gelegenheit mal an.

Sie hat ihre Grenzen, diese Kommunikationsform, aber ihren begrenzten Zwecken dient sie sehr gut. Sie kann Lust auf neue Bekannte machen, sie hält alte Bekannte zusammen und sie hilft Freunden, die Trennungszeiten leichter zu machen.

Aber das gilt für das gesamte System Facebook, oder MySpace, VZ und ähnliche. Sie sind, insgesamt gesehen, zweifellos eine Bereicherung und ich freue mich, dass es sie gibt. Man muss mit ihnen umzugehen lernen, aber das ist leicht und schon der gesunde Menschenverstand kann einem fast alles sagen, was man beachten sollte. Sie fressen Zeit, aber die ist mindestens so sinnvoll verbracht, wie bei jeder rein konsumierenden Beschäftigung wie etwa dem Fernsehen. Es gibt vieles, was sehr viel wichtiger ist im Leben, doch so wichtig, dass ich dabei bleibe, ist mir FB allemal.

Es war ein schönes Jahr auf Facebook, ich freue mich auf die weiteren.

ENDE

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