Beachten Sie bitte, dass die Zeitschrift ab 2011 immer wieder erscheinen wird, und dass Sie deshalb, wann immer Sie ein gutes Thema haben, dieses einreichen können.
Und haben Sie auch nicht zu hohen Respekt vor der Wissenschaft. Natürlich kann ein akademisches Journal nur Beiträge veröffentlichen, die wissenschaftlichen Standards entsprechen. Aber sooo hoch sind die gar nicht, und die paar formalen Anforderungen sind ein Klacks. Was zählt, sind Ihre Idee, Ihre These, Ihre Befunde.
Wenn Sie möchten, können Sie mich auch gerne kontaktieren und ich berate Sie unverbindlich (und natürlich kostenlos) zu Fragen einer Veröffentlichung in der ZFF.
Freitag, 11. März 2011
Phantastische Artikel gesucht
Samstag, 19. Februar 2011
Mit Steinen werfen!
Es spricht zugebenermaßen persönlich motivierte Empörung aus mir, denn ich habe, wie die große Mehrheit aller Doktoranden, meine Arbeit wirklich in jahrelanger mühevoller Kleinarbeit geschrieben, statt sie zusammenzukopieren und habe deshalb nicht das geringste Unsicherheitsgefühl dabei, aus meinem Glashaus heraus mit dicken Steinen zu werfen. Prof. Fischer-Lescano hat recht, wenn er dies im morgigen Spiegel als "Verrat an der Wissenschaft und an all den Doktorandinnen und Doktoranden" brandmarkt. Aber es geht um mehr als um diese eine Frechheit des Betrugs an hart arbeitenden WissenschaftlerInnen.
Wie genau, warum genau dieser Mann seine 'Dissertation' auf welche Weise zusammenkopiert hat, ist noch nicht klar, aber die Beweise, auf mittlerweile 62 % der Seiten (darunter bspw. ein mehrseitiges bei einem Referenten in Auftrag gegebenes Gutachten) seiner 'Dissertation', sind unzweifelhaft: Diese Arbeit ist in betrügerischer Weise entstanden. Die bloße Menge schließt Schusseligkeit schon aus, Wort-für-Wort-Vergleiche auf Faksimile-Basis, wie von der Süddeutschen vorgenommen, zeigen, dass die Kopien nicht absichtslos eingefügt sein können und dass diese Kopiervorgänge als geistige Eigenleistung dargestellt werden.
Ob nun von des Freiherrn eigener Hand ungeschickt zusammenkopiert oder von Ghostwritern, Referenten oder Praktikanten zusammengestoppelt - eine eigenständige wissenschaftliche Leistung ist das Werk auf keinen Fall. Also ist der Doktortitel obsolet.
Das ist in Expertenkreisen, die sich mit Dissertations- und Urheberrecht auskennen, auch vollkommen unumstritten. Interessanter - und fatal! - ist, dass der Doktor a. D. trotzdem noch eine Zweidrittelmehrheit der Bevölkerung auf seiner Seite hat, die das alles offenbar lässlich findet, getreu des Diktums von F. J. Wagner in der BILD: "Macht keinen guten Mann kaputt. Scheiß auf den Doktor."
Aber er ist eben kein guter Mann. Das sah man zwar auch schon an seinen bisherigen politischen Schlingerkursen (oder haben Sie geglaubt, der träte wirklich wegen Opel zurück?), doch die Fälschung einer Doktorarbeit fokussiert das Licht auf den Charakter des Mannes.
Eine Doktorarbeit ist der Nachweis der wissenschaftlichen Leistungsfähigkeit. Wer eine schreibt und sich dabei durch copy & paste oder Ghostwriting ganz bewusst dieser Leistungserbringung entzieht, ist erstens unehrlich und zeigt zweitens, dass ihm die Arbeit, das Durchdenken eines Themas und die intellektuelle Auseinandersetzung vollkommen egal sind, und dass es ihm nur um den Anschein geht. Mehr Schein als Sein - das ist, was zu Guttenberg mit dieser Arbeit erreichen wollte.
Normalerweise würde schon die nachgewiesene Unehrlichkeit ausreichen, um eine Person für eine Regierungsfunktion zu disqualifizieren, Herr Wagner. Aber früher trat man ja eh leichter zurück. (War das Ehrgefühl ausgeprägter?) Doch dass zu Guttenberg daran scheitert, eine echte Dissertation anzufertigen, zeigt auch seine Unfähigkeit. Er ist kein guter Mann, er sieht nur gut aus ...
Was ich jetzt immer wieder lese, und auch persönlich als Antwort zu hören bekomme, ist, dass das doch viele so machen und dass es sich um eine Lappalie handle. Solange er seinen Aufgaben gerecht wird, solle man eben ein Auge zudrücken ...
Nein, ganz entschieden, nein! Soll man nicht. Natürlich gibt es viele Menschen, die betrügen oder sich an der Grenze zum Betrug erfolgreich durch die Dinge lavieren. Aber wer erwischt wird, muss fliegen!
Denn was für ein Beispiel wird denn gegeben, wenn Lug und Betrug unsanktioniert bleiben? Mehr Schein als Sein ist immer der einfachere Weg. Aber die Anforderungen in Politik und Wirtschaft - und die Anforderungen im normalen täglichen Leben; in Schule, Sport, Beruf eines jeden Menschen - verlangen Leistungsfähigkeit zu ihrer Bewältigung. Diese nimmt aber rapide ab, wenn alle so tun wie Herr zu Guttenberg - was beispielsweise Goedart Palm in einem sehr desillusionierenden Artikel in der Telepolis hinzunehmen bereit scheint. Palm behält recht, wenn zu Guttenberg bleibt - doch hinnehmen sollte man eine solche Entwicklung nicht.
Wenn wir die Lehre einsickern lassen, dass man mit "so tun als ob" auch weiterkommt, werden die dann von den scheinbaren ExpertInnen immer unerfüllbarer werdenden Anforderungen die Gesellschaft überwältigen und ins Chaos stürzen. Zu Recht heißt es, wir in Deutschland besäßen nur den Rohstoff Mensch - wenn dieser Rohstoff sich nach den zu Googlebergs richtet, haben wir das auch verloren.
Der Presse hat Herr von und zu vor einiger Zeit im Geheimen anvertraut, er wolle in seinem nächsten Urlaub Platons Staat lesen. Na das ist mal eine gute Idee - dies großartige Buch über Ethik sei ihm ans Herz gelegt, besonders Seite 361a: "Denn der Gipfel der Ungerechtigkeit ist: gerecht scheinen, ohne es zu sein."
Freitag, 7. Januar 2011
Ein tolles 2011!
Ich wünsche Ihnen ein frohes, erfolgreiches, gesundes 2011!
Bleiben Sie polyoinos treu.
Dienstag, 14. Dezember 2010
"Fantasy für Fortgeschrittene" ...
Hmmm, für Fortgeschrittene wohl eher nicht, aber da es gut geschnitten ist, ist es wirklich recht informativ, insbesondere für diejenigen, die das Genre nicht kennen.
Wenn Sie möchten, würde ich mich freuen, wenn Sie mal reinhören, in die 5 MInuten, 30 Sekunden, die der BR aus dem halbstündigen Interview gemacht hat: http://on3.de/element/8912/interview-frank-weinreich-fantasy-fuer-fortgeschrittene.
Freitag, 10. Dezember 2010
Mit zweierlei Maß: die Berichterstattung über Liu Xiaobo und WikiLeaks
Zuerst drängt sich natürlich der Gedanke auf, dass Liu Xiaobo gegen ein erwiesenes Unrechtsregime beschützt werden muss, während die etablierten Medien den Rechtsstaaten USA, Großbritannien und Schweden einen Vertrauensvorschuss geben und den ‘Geheimnisverrat’ WikiLeaks auf ‘verantwortungsvolle Weise’ kritisch beurteilen müssen. Doch das ist es meiner Meinung nach nicht allein und wahrscheinlich nicht einmal zuerst. Vielmehr geht es gerade in diesem Fall darum, Besitzstände zu wahren und den gesellschaftlichen Diskurs unbedingt so weiterführen zu wollen, wie er schon immer (seit knapp hundert Jahren - ha ha ha) ablief.
Liu Xiaobo ist ein klassischer Demonstrant in der Nachfolge vieler anderer großer Menschen, wie etwa seines Vorgängers Carl von Ossietzky, dessen Schicksal er vielleicht wird teilen müssen. Klassische Demonstranten aber sind ein sehr schöner, weil einfacher Fall für die etablierten Medien. Klassische Demonstranten und deren Anliegen kann man nämlich wunderbar begleiten - wahlweise sympathisierend, aufrüttelnd und ermunternd, wenn es opportun ist, aber auch durch Verschweigen, Marginalisieren und Lächerlichmachen.
WikiLeaks (es geht nicht um Assange, es geht um WikiLeaks!) aber kann man nicht so einfach begleiten, denn das Erscheinungsbild und die Aussagen von Wikileaks unterliegen nicht mehr der Steuerung durch die etablierten Medien. WikiLeaks spricht auf uninterpretierte Weise selbst, und das ist etwas, was die publizierende Meinung nicht gerne hat.
Sie wird sich aber dran gewöhnen müssen - zumindest wenn die Welt so glücklich ist, weiter freie Publikationskanäle zu besitzen (die Privatisierung des Internets in große, zentral steuerbare Plattformen wie Facebook, Google und andere macht Sorgen). Wenn die freien Meinungsäußerungsmöglichkeiten aber so bleiben, wie sie sind, dann ist es mit der gemütlichen Ruhe der bisherigen Meinungsmacher vorbei.
Natürlich schreien sie auf - wie gerade jetzt - und gemahnen daran, welch potentielle Gefahr doch in der unreflektierten Publikation brisanter Themen stecke und bezweifeln, dass der plötzlich publizierende ‘Laie’ über die Sachkenntnis und das Verantwortungsgefühl verfüge, das seine Publikationstätigkeit erfordert.
Nun, die Sachkenntnis kommt bei den Graswurzel-Publizisten in der Regel schon daher, dass sie meist aus den Bereichen berichten, in denen sie leben und arbeiten. Fehler unabsichtlicher wie absichtlicher Art werden zudem schnell aufgedeckt, denn Zweit-, Dritt- und Viertexperten lesen immer mit.
Und was das Verantwortungsgefühl angeht, so hoffe ich doch, dass die publizierenden ‘Laien’ sich diesbezüglich nicht gerade die Medienprofis von RTL, SAT1 und BILD-Zeitung zum Vorbild nehmen, sondern bessere Maßstäbe anlegen. Zudem ist das Graswurzel-Phänomen von ständigem Austausch und kollaborativer Arbeit gekennzeichnet, die Zirkel bilden, in denen Verantwortung immer mitdiskutiert wird. Das ist nicht fehlerfrei, steht dem Verantwortungsgefühl der professionellen Redaktionskonferenz jedoch nicht nach und der einsam getroffenen Verlegerentscheidung schon mal gar nicht.
Wenn also diese Woche mit zweierlei Maß über Liu Xiaobo und WikiLeaks berichtet wird, so hat das auch damit zu tun, dass es um Macht geht, um Meinungsmacht. Und die lässt man sich auch im liberalen Westen ungern wegnehmen. Muss man aber zulassen, denn die freie Meinungsäußerung gilt für alle, nicht nur für die ‘Profis’. Dann können wir auch gemeinsam für Liu Xiaobo und WikiLeaks schreiben, denn die schreiben auch für uns.
Mittwoch, 8. Dezember 2010
Die WikiLeaks-Herausforderung
Assange ist jetzt dran und wird wohl nicht mehr davor zu bewahren sein, auf immer in irgendwelchen Gefängnissen zu verschwinden. (Wir regten uns vor ein paar Jahren darüber auf, wie Putin seinen Kritiker Chodorkowski in bester Tyrannenmanier ins Gefängnis werfen ließ; jetzt tun die USA das gleiche und ehemals politisch-freiheitlich vorbildliche europäische Nationen wie Großbritannien und Schweden helfen dabei, pfui!) Dabei hat Assange nichts anderes gemacht als das, was die New York Times, Der Spiegel, The Guardian und El Pais in der selben Angelegenheit auch machen: Er hat Material von öffentlichem Interesse veröffentlicht, das ihm aus authentischer Quelle zugespielt wurde.
Was für ein Schaden wurde denn angerichtet? Sollte wirklich jemand geglaubt haben, dass die Diplomaten und Politiker in ihren eigenen Zirkeln und untereinander nicht so miteinander über einander reden, wie die veröffentlichten Depeschen es jetzt zeigen, so wird ihm diese Naivität jetzt hoffentlich ausgetrieben worden sein.
Und alles andere ist Propaganda. Natürlich wusste Westerwave vorher, dass die internationalen Mitdiplomaten ihn für unfähig halten. Natürlich wusste Ahmadinedschad vorher, das König Abdullah ihn gerne tot sähe. Einzig Berlusconi dürfte zu notgeil sein, um die Realität wahrzunehmen. Und unsere Kanzlerin dürfte sich durch den Beinamen "Teflon" noch geschmeichelt fühlen.
Wenn sich der eine oder andere jetzt oder in Zukunft publikumswirksam über den einen oder anderen erregen wird, so dient dies nur dazu, eben diesem Publikum in der Hoffnung eine Show zu liefern, dass es sich von den eigentlich allseits bekannten Vorwürfen nur aus dem Grund beeindrucken lässt, weil sie mit dem Hinweis auf angeblich geheime Meinungen und Erkenntnisse untermauert werden. Propaganda eben! Propaganda, die sich auf WikiLeaks und Assanges Arbeiten stützt, die sich in nichts von anderen journalistischen Arbeiten unterscheiden. (Hier ein aktueller Artikel von Assange selbst, der genau das eindringlich schildert.)
WikiLeaks´Zukunft?
Auf die gleiche Art, wie nun die diplomatischen Berichte der USA, flogen nämlich F-J. Straußens Lockheed-Verstrickungen auf, wurde Watergate publik gemacht, gelangten zahllose andere politische Skandale ans Licht der Öffentlichkeit. Genau das versuchte Chodorkowski in Russland und wurde von einer abhängigen Justiz erledigt. Letzteres, so stellt es sich heute dar, ist nun wohl auch bei uns möglich, wenn sich der Vorsitzende des Heimatschutzausschusses der USA nun traut, gegen das publizistische Flaggschiff des Landes mobil zu machen.
Was tun? Sicher nicht Mastercard oder Paypal mit DoS-Attacken ärgern, denn das bringt genauso viel wie Eric Cantonas gestriger Versuch, mit Hilfe von ein paar Dutzend Fans, die ihr Geld abhoben, die französischen Banken in den Ruin zu treiben.
Was dann? Weiterschreiben, weiterpublizieren, weiterhin Informationen bereit halten, wie es die wunderbaren Unterstützer von Wikileaks machen, die das Archiv mittlerweile so im Netz verteilt haben, dass es auch die USA nicht mehr rausbekommen.
Die IT ist Gefahr, viel mehr aber noch Chance für die Freiheit. Jedes Blog, jeder kleine Twitter-Zweizeiler, ja jeder Klick auf Facebooks "Gefällt mir"-Button, der sich den Themen Meinungs- und Pressefreiheit widmet, hilft, für die Themen zu sensibilisieren, hilft, das Nachdenken zu fördern, hilft, andere Menschen zu aktivieren. Eine andere (ethisch saubere) Möglichkeit haben wir nicht. Das Maul nicht aufzumachen, bedeutet, dass wir irgendwann alle wie unter chinesischer Zensur leben werden. Auch in den USA, auch hierzulande. Das zu verhindern, ist die Wikileaks-Herausforderung.
Sonntag, 28. November 2010
Keine Angst (mehr!) vor Tzvetan Todorov
Man muss sich bei einer literaturwissenschaftlich orientierten Sichtweise auf die Phantastik in der Tat mit Todorov befassen, denn vor allem die Herangehensweise ist wichtig, um die literaturwissenschaftliche Diskussion zu verstehen. (Oder nein, muss man nicht unbedingt, Uwe Dursts Theorie der phantastischen Literatur, LitVerlag 2010, ist aktueller, umfangreicher und besser - aber genauso schwer zu verstehen.) Zum Glück kann man sich Todorov jetzt aber viel einfacher nähern, denn der Wissenschaftler und Journalist Simon Spiegel hat eine exzellente Einführung in Todorovs Werk geschrieben, das die Originallektüre zwar nicht ersetzt, aber sie auch für den Fachfremden so aufschlüsselt, dass man Todorov nun folgen und ihn angemessen im Theoriekanon verorten kann: Simon Spiegel: Theoretisch Phantastisch. Eine Einführung in Tzvetan Todorovs Theorie der phantastischen Literatur. Murnau: p.machinery 2010.
Dies behaupte ich auch auf die Gefahr hin, dass Todorov-Fans bzw. Vertreter der strukturalistischen Denkschule das ganz anders sehen mögen, denn Spiegel geht sehr kritisch mit Todorov um (Tzvetan Todorov: Einführung in die fantastische Literatur, Ullstein 1972; nur noch antiquarisch auf Deutsch erhältlich, aber problemlos in Englisch, Französisch zu erwerben). Vielleicht ist kritisch aber auch das falsche Wort, denn Spiegel zeigt die durchaus vorhandenen positiven, weil erkenntnisfördernden Seiten von Todorovs Theorie der Phantastik auf, und ordnet sie dann, methodisch sauber, in das Gesamtgefüge der möglichen Literaturbetrachtungen ein; eine Einordnung, bei der Todorov dann aber manche Feder lässt, denn Spiegel kann schlüssig zeigen, dass die Theorie der Phantastik einen ziemlich engen Geltungsbereich hat und ganz viele Fragen, die sich dem Publikum phantastischer Werke stellen, gar nicht beantworten kann (aber auch nicht beantworten will).
Todorov ist Strukturalist, was heißt, dass er sein Untersuchungsgebiet anhand struktureller Merkmale und gänzlich innerhalb des Untersuchungsgebiets verbleibend betrachtet: Es zählt das Buch/der Film als solcher, sonst nix. Die phantastische Literatur hat so besehen beispielsweise keinen Bezug zur Realität. Das ist etwas ganz anderes als das, was Sie etwa auf diesen Seiten lesen können - mich interessiert, in welchem Verhältnis zur Realität die Phantastik steht, und was man aus ihr lernen kann. Für den Strukturalisten gibt es auch keine gute oder schlechte Literatur, nur Literatur mit bestimmten Merkmalen - der Struktur -, die eine Zuordnung erlauben. Der Strukturalist enthält sich damit jeglicher Interpretation - was darin begründet ist, dass Interpretationen nicht objektivierbar sind, und damit einen nicht unproblematischen wissenschaftlichen Charakter haben. Das ist auch alles wissenschaftlich sehr sauber, wenn man es durchhalten kann.
Das kann man auch alles bei Todorov selbst lesen, aber es hilft ungemein, wie Spiegel das herausarbeitet. Und damit gleichzeitig herausarbeitet, dass selbst Todorov große Schwierigkeiten hat, dem hohen Anspruch gerecht zu werden. Dauernd kommt es nämlich doch zu Vergleichen oder Beziehungen von Literatur und Realität sowie zu wertenden Einlassungen. Das dürfte auch kaum zu vermeiden sein, denn - das steht so nicht bei Spiegel, aber ich empfinde es so - ein wirklich sortenreiner Strukturalismus, stellt nichts weiter als die Konstruktion von Schubladen dar. Schubladen aber eignen sich nur zum Verstauen von Dingen, wir wollen jedoch mit der Phantastik umgehen (lernen).
Was an der Phantastik interessiert, ist doch beispielsweise die alte Frage: Was will der Autor damit sagen/erreichen? Oder es geht darum, warum die Science Fiction in den Vierzigern und Fünfzigern boomte, warum sie in den Sechzigern und Siebzigern so kritisch wurde und wieso die Fantasy gerade jetzt ein Allzeithoch zu haben scheint. Oder eben, welche Bücher und Filme gut sind. Oder was die Faszination der Phantastik ausmacht. Das interessiert aber aus strukturalistischer Sicht alles nicht beziehungsweise es ist ein Tabu, denn hier wird es interpretatorisch, und interpretieren darf der Strukturalist nicht.
Nachdem Spiegel das sehr schön herausgearbeitet hat, kann er auch deutlich machen, was hinter den - na ja, ich sage mal eigenwillig -, was hinter den eigenwilligen Kategorien der Phantastik bei Todorov steckt. Die reine Phantastik macht Todorov ja beispielsweise daran fest, dass sie ein Schwebezustand sei, in dem unentscheidbar ist, ob Geschehnisse natürliche oder übernatürliche Ursachen haben. Eine so verstandene Phantastik trifft natürlich auf sehr enge Grenzen und hat insbesondere mit aktueller phantastischer Kunst nicht viel zu tun. Aber auch das arbeitet Spiegel sehr schön heraus, wenn er auf den eingeschränkten, von Todorov zugrundegelegten Kanon verweist, und dass die Gültigkeit von Todorovs Überlegungen in besonderem Maße zeit- und werkabhängig ist. (Was die Auswahl im Übrigen auch zu einer sehr subjektiven Angelegenheit macht; nee, dat wird vorne und hinten nix mit der Objektivität, Leute.)
Die größte Stärke für den interessierten Laien ist aber Spiegels Dechiffrierung der literaturwissenschaftlichen Sprechweisen und Codes von Todorov und einschlägigen anderen Autoren. In "Theoretisch Phantastisch" wird alles auf eine klare Sprache heruntergebrochen; eine Ausdrucksweise, die ich persönlich für die einzig wahre halte, während der sonstige Wissenschaftssprech, gerade in den Kulturwissenschaften, für mich mehr mit standesdünkelhaften Ausgrenzungsversuchen zu tun hat als mit den Erfordernissen einer schwierig zu umschreibenden Materie. Ein Beweis, dass das geht, ist Spiegels Buch. Das kann manchmal, gerade auf den ersten Seiten, wenn man sich noch hineinliest, ein bisschen herablassend wirken, ist aber keinesfalls so gemeint. Spiegel zeigt damit viel eher, dass er sein Publikum ernst nimmt und verstanden werden will. Für mich ist der Stil jedenfalls beispielhaft, und ich werde versuchen, mich selbst noch mehr in diese Richtung zu entwickeln.
Übrigens ist Theoretisch Phantastisch auch sehr schön ausgestattet, mit übersichtlichem Layout, hilfreichen Marginalien und dezenter Bebilderung. Besonders hervorzuheben sind die schönen Zeichnungen von molosovsky (etwa das Titelbild, s. u.), Porträts, in dem gleichen Stil, wie sie auch seine Website schmücken: molochronik.antville.org/.