Donnerstag, 27. Mai 2010

Vom handfesten Wert der Bücher, ja des Informationszugangs überhaupt

Die Anzahl von Büchern in einem beliebigen Haushalt weltweit ist der wichtigste Prädikator für das formale Bildungslevel, das Kinder statistisch gesehen in diesem Haushalt erreichen werden; wichtiger noch als das Einkommen, wichtiger auch als der Bildungsstand der Eltern. Einfach gesagt gilt, dass in der Rückschau auf den Bildungsweg von Kindern diejenigen einen umso höheren formalen Bildungsabschluss erreichen, je mehr Bücher im Haushalt der Eltern vorhanden waren. Die Anzahl von Büchern in einem Haushalt erlaubt also eine zuverlässige relativ Voraussage, welchen Abschluss die Kinder erreichen werden. Das wurde jetzt in einer groß angelegten, über 20 Jahre und weltweit durchgeführten Studie eindrucksvoll bestätigt: EScienceNews

Neu ist diese Erkenntnis nicht unbedingt, denn dementsprechende internationale Bildungsstudien haben schon immer in diese Richtung gewiesen, aber es ist noch nie so eindrucksvoll bestätigt worden. Das war überhaupt so das beeindruckendste aus meiner Zeit als Bildungsforscher am Institut für Schulentwicklungsforschung in Dortmund - dieser Befund war immer stabil.

Natürlich muss man diese Ergebnisse mit den Augen der Statistik sehen - wer versäumt hat, seinen Achtjährigen in der Vorschulzeit und in der Schule zu helfen, der erreicht auch keine Gymnasialempfehlung dadurch, während des vierten Schuljahr 500 Bücher auf dem Flohmarkt zu erwerben. Aber generell gilt eben doch, dass Buchbesitz mit Bildungsaffinität durch durchschnittlich höheres Wissen einhergeht. In der Regel werden die vorhandenen Bücher eben doch benutzt, und nichts regt Nachahmung besser an als die Vorbildfunktion der Eltern.

Und dabei kommt es überhaupt nicht auf die Zusammensetzung der heimischen Bibliothek an - niemand muss sich schweren Herzens durch die Buddenbrooks, Eichendorffs gesammelte Gedichte und die Werke Platons im altgriechischen Original quälen, der dies nicht möchte. Der Einfluss auf die Kinder entsteht durch Bücher aller Art; schon die gesammelten 2500 Perry Rhodan-Bände oder das komplette Das Schwarze Auge sind wirksam.

Nur ... lassen Sie sich überhaupt von Ihren Kindern ab und zu mit einem Buch in der Hand erwischen. Und wer täglich GZSZ braucht, richtet auch nix Schlimmes an, erst wenn Sie nur GZSZ, GNTM, DSDS und was weiß ich für ´nen Murks (WWIFNM) sehen, während das einzige Buch im Haus die Bedienungsanleitung fürs Handy ist, geben Sie ein schlechtes Vorbild ab.

Doch wird es so bleiben, dass Buchbesitz der wichtigste Prädikator für die Bildung von Kindern ist? Ich glaube nicht beziehungsweise nehme an, dass man eben unbedingt E-Books und auch sonstige digitale Informationsquellen hinzuziehen muss. Bildung läuft schon jetzt nicht mehr nur in Form von Buch- und Zeitungskonsum ab, die Vernetzung spielt eine große Rolle.

Und deren Bedeutung wird zunehmen. So ein Ding wie das iPad wird vielfach angeboten werden, es wird billiger werden und es wird den kombinierten Informationskonsum durch das geschriebene Wort, Animation, Film und Audio selbstverständlich werden lassen. Das erfordert natürlich eine darauf ausgerichtete Ausbildung, die lehrt, wie man die so dargebotenen Informationen einzuschätzen hat. Das jetzt schon vielerorts selbst in der Bildung anzutreffende unkritische Zitieren von Wikipedia etwa, ist weniger prickelnd.

Aber ob 2,5 kg schwerer Lederschmöker oder iPad; die Vorbildfunktion im Mediengebrauch wird unverändert bleiben und wie Sie damit umgehen, wird sich an Ihre Kinder weitervererben.


Dienstag, 25. Mai 2010

Ein Jahr Facebook-Erfahrungen - Teil 4, das Kommunizieren


Seit einem Jahr bin ich jetzt Mitglied bei Facebook, dem größten der social networks, Grund für einen kleinen Erfahrungsbericht in vier Teilen. Dies ist Teil 4, der Abschluss dieser kleinen Reihe, und dreht sich um die Besonderheiten der Kommunikation.

Stellen Sie sich vor, Sie seien in einer riesengroßen Kneipe, oder einer Aula oder Stadthalle, in der irgendein großes Fest stattfindet, und Sie könnten alle Gespräche, die dort geführt werden, hören. So ähnlich findet Kommunikation auf Facebook oder in anderen social networks wie MySpace oder den VZs statt. Das kann doch sehr anregend sein, oder?

Natürlich wissen auch alle anderen, dass man ihnen zuhören kann. Also werden sie wahrscheinlich nicht Zeuge einer Unterhaltung werden, bei der ein Freund dem anderen erzählt, dass er seine Frau betrügt. Oder in der eine Freundin der anderen darlegt, wie es ihr gelang, Steuern zu hinterziehen. Intimitäten aller möglichen Art werden Sie also - hoffentlich, denn die sollte niemand ausposaunen - nicht zu hören bekommen. (Und ich würde mir auch gut überlegen, ob ich sie per PM erzähle, denn man kann nicht wissen, wer auf diesen Plattformen alles mitlesen kann. Wenn schon Geheimnisse per Mail austauschen, dann nur sicher verschlüsselt.)

Die öffentliche Kommunikation in den Kommentaren auf den Profilen oder in einzelnen Gruppen ist eben genau das - für die Öffentlichkeit bestimmt. Was man bei ihrer Einschätzung berücksichtigen sollte.

Denn vielfach wird sich diese Art zu kommunizieren als sinnarm, oberflächlich und meist unverbindlich darstellen, sowie da, wo in Gruppen pointiert Themen oder Thesen vertreten werden, oftmals laut, überspitzt und vielfach verletzend daherkommen, wobei sie aber meist nicht ganz so hart gemeint ist, wie sie formuliert wird.

Dessen sollte man sich bewusst sein beim Mitlesen. Aber das ist nicht alles.

Denn die öffentliche Kommunikation kann genauso gut offen, ehrlich, herzlich, ja zärtlich sein und das Gefühl spenden, nicht allein zu sein, auch wenn man alleine vor dem Rechner sitzt. Man muss das “anstupsen” oder VZs “gruscheln” nicht mögen - ich mag’s nicht -, doch der Grundgedanke, dass da draußen jemand ein bisschen bei einem ist, ist schön. Und in gewisser Weise ist man ja auch nicht allein, denn die Kommunikationspartner sind ja mit den Gedanken bei einem. Ein Ersatz für echte Nähe ist dies zwar ganz klar nicht, aber wärmen kann einen dies virtuelle Herdfeuer doch ein bisschen.

Und diese Art der öffentlichen Kommunikation hat für die Schreibenden durchaus das Potenzial, ihnen zu erlauben, sich zu öffnen, etwas von ihren Sorgen und Ängsten damit abzubauen, während die Mitleser, die all diese Gefühle ja auch kennen, sehen, dass sie mit ihren dunklen Momenten nicht allein sind. Es gibt da ein sehr schönes Beispiel auf YouTube.

Kennen Sie den Song The Living Years von Mike & the Mechanics? Er handelt von dem tiefen Bedauern eines Sohnes, der nach dem Tod des Vaters erkennt, dass er sich nie richtig mit ihm ausgesprochen hat, und dass es nun zu spät dafür ist - ein tolles Lied ... Eine alte MTV-Version dieses Liedes steht auf YouTube (http://www.youtube.com/watch?v=uGDA0Hecw1k) und noch berührender als das Lied selbst sind die Dutzende Kommentare, die darunter stehen. So viele Menschen, die von ihren Vätern und ihrer Trauer berichten; echte Trauerarbeit, teilweise Jahrzehnte später. Auch das können Netzwerke leisten - schauen Sie es sich bei Gelegenheit mal an.

Sie hat ihre Grenzen, diese Kommunikationsform, aber ihren begrenzten Zwecken dient sie sehr gut. Sie kann Lust auf neue Bekannte machen, sie hält alte Bekannte zusammen und sie hilft Freunden, die Trennungszeiten leichter zu machen.

Aber das gilt für das gesamte System Facebook, oder MySpace, VZ und ähnliche. Sie sind, insgesamt gesehen, zweifellos eine Bereicherung und ich freue mich, dass es sie gibt. Man muss mit ihnen umzugehen lernen, aber das ist leicht und schon der gesunde Menschenverstand kann einem fast alles sagen, was man beachten sollte. Sie fressen Zeit, aber die ist mindestens so sinnvoll verbracht, wie bei jeder rein konsumierenden Beschäftigung wie etwa dem Fernsehen. Es gibt vieles, was sehr viel wichtiger ist im Leben, doch so wichtig, dass ich dabei bleibe, ist mir FB allemal.

Es war ein schönes Jahr auf Facebook, ich freue mich auf die weiteren.

ENDE

Mittwoch, 19. Mai 2010

Ein Jahr Facebook-Erfahrungen: Teil 3, Die anderen Leute

Sorry, dass es dauerte, aber mein Hauptrechner war mit dem ungesicherten Text dieses Vierteilers abgerauscht und befand sich eine Woche in Reparatur. Ich bin froh, dass es nicht die Platte erwischt hatte ...

Seit einem Jahr bin ich jetzt Mitglied bei Facebook, dem größten der social networks, Grund für einen kleinen Erfahrungsbericht in vier Teilen. Dies ist Teil 3, in dem ich erzähle, was mir an den anderen auf Facebook so auffällt.

Einfaches Lesen von Facebook-Profilen kann schon eine faszinierende Beschäftigung sein. Da werden Wortfetzen veröffentlicht, Witze angedeutet oder erzählt, Stichworte führen zu Kommentarkaskaden und manchmal finden ernsthafte Gedankenaustausche statt.

Die Presse mokiert sich relativ häufig über die Sinnlosigkeit von Befindlichkeitsäußerungen und Statusmeldungen der Art “Trinke Kaffee”, “habe Kopfschmerzen”, “gehe zu Bett”. Blödsinn! Es gibt Leute, denen bedeuten selbst diese unbedeutenden Informationsfetzen etwas, und für die wird das geschrieben. Allen anderen genügt eine Sekunde des Überfliegens, um mit den Augen weiter zu huschen, bis sie was Interessanteres lesen. Niemand wird gestört, der sich nicht gestört fühlen will.

Ja, es gibt auch Dinge, die mich nerven. In FB sind das besonders die Statusmeldungen der Art “Wer seine Kinder/Partner/Eltern/Hunde/Ascheimer liebt, der lässt diese Statusmeldung für eine Stunde in seinem Profil stehen”. Und ja, das animiert zum Brechen ... aber mein Gott, auch darüber kann ich hinweglesen ...

Das Hinweglesen kommt von ganz allein. Ich gehe jetzt mal eben rüber in den Browser und schaue auf meine Startseite: 43 Statusmeldungen, zwei Drittel von Leuten, die ich nicht wirklich kenne, die meisten dieser Meldungen aus Spielen heraus generiert. Diejenigen, die ich kenne, posten u.a.: einen YouTube-Link, jemand schreibt, er fahre zum Flughafen, eine meldet, dass sie die Software Digsby zum 1000sten Male genutzt habe, einer hat gerade Blumen gekauft. Fazit: recht belanglos.

Und so ist es meistens. Aber der Blick hätte auch nur Sekunden gedauert, wenn ich nicht gerade für Sie gezählt hätte. Was verliere ich also, wenn ich die Seite sporadisch im Blick behalte? Ein, zwei Minuten am Tag. Was gewinne ich? Also mindestens einmal täglich ist was Interessantes, Neues, Berührendes, Lustiges dabei. Und das gewinne ich durch die Investition von ein, zwei Minuten täglich.

Und außerdem finde ich es auch eine beruhigende Lebensäußerung, wenn jemand schreibt, er fahre jetzt zum Flughafen oder sie kaufe Blumen. Und der belanglose Blumenkauf ist für zwei Leute nicht belanglos, für den Käufer und den Empfänger nämlich und für die freue ich mich, dass sie etwas kleines Schönes teilen werden.

Ich gewinne vor allem Einblicke in das Leben anderer Menschen. Und Menschen interessieren mich. Freunde und Bekannte sowieso, aber auch Fremde. Und was die Fremden angeht, ist das mit den FB-Spielen einfach faszinierend.

Glücklicherweise nehmen ja fast alle den Datenschutz wenigstens ein bisschen ernst und öffnen ihre Profile nicht für alle Menschen. Also erführe ich nur etwas von Freunden und Bekannten, wenn es nicht die Spiele gäbe. Für die muss man sich nämlich mit anderen fast immer ‘anfreunden’, so dass man auch deren Profile lesen kann. Und das sind wirklich Leute aus aller Welt. (Ich weiß, eigentlich wäre es besser, wenn man Freunde und Mitspieler irgendwie trennen könnte, aber mir gefallen die kleinen Einblicke auch irgendwie.)

Also lese ich bei der einen Engagement gegen die British Nationalist Party - schön. Bei einer anderen verstehe ich kein Wort - klar, eine Malayin, die in der Landessprache schreibt. Dieser Typ hingegen schreibt mal chinesisch, mal Englisch und anhand der englischen Meldungen gewann ich in den letzten Wochen den Eindruck, dass es ihm trotz hartem Job ziemlich gut geht. Dann wieder diese Amerikanerin, die sich für die Tea Party-Bewegung einsetzt und oft ziemlich rechtsextremen Stoff postet, der immer wieder von herrlicher Ignoranz der Weltlage zeugt. Eigentlich wollte ich die ja blocken, aber andererseits ist es gut zu wissen, was die anderen so fühlen, auch wenn sie mir politisch so gar nicht passen. Oder der Typ, der mindestens einmal wöchentlich seinen Stolz auf die us-amerikanischen Streitkräfte postet. Auch nicht meine Wellenlänge, aber er engagiert sich zuhause auch sozial.

Ob das alles so stimmt, was die posten? Ich denke in den meisten Fällen schon. Das scheint mir zu allergrößten Teilen doch sehr authentisch zu sein. Menschliche Schnappschüsse aus den USA, China, Saudi-Arabien, Südafrika, Australien, Großbritannien, Litauen, Russland, Spanien - ich mag das sehr! Und manchmal komme ich für ein paar Zeilen auch mit jemandem ins Gespräch. Das ist dann besonders cool.

Wie gesagt: Es gibt keine echte Vertrautheit bei reinen Onlinekontakten. Aber es gibt das Kennenlernen von interessanten Menschen, bei denen man sich vorstellen kann, dass man mit ihnen befreundet sein könnte, wenn sie wirklich so sind, wie sie online erscheinen. Es wird wahrscheinlich so gut wie nie zu diesem real life-Kontakt kommen, aber ohne Netz und Facebook, hätte ich nie erfahren, dass es den oder die überhaupt gibt.

Der vierte und letzte Teil über die Besonderheiten des Kommunizierens in Facebook und social networks kommt nach Pfingsten. Bis dann ...

Mittwoch, 12. Mai 2010

Ein Jahr Facebook-Erfahrungen: Teil 2, Die Spiele

Seit einem Jahr bin ich jetzt Mitglied bei Facebook, dem größten der social networks, Grund für einen kleinen Erfahrungsbericht in vier Teilen. Dies ist Teil 2, der sich um eine Facebook-typische Besonderheit dreht, die es so exzessiv lange nicht in allen Netzwerken gibt: die Spiele.

Die zeitraubende Sogwirkung von Facebook entsteht einerseits durch die Software-Angebote, hauptsächlich die Spiele, und durch die Kontakte, gerade auch die Beobachtung von Kontakten andererseits. In diesem zweiten Teil geht es um die Spiele.

Alle FB-Spiele, die ich kenne - Mafia Wars, Farmville, Zoo World, Castle Age - basieren auf der Befriedigung des Sammeltriebes: Durch regelmäßige Teilnahme und den Aufbau eines wachsenden Kreises von Mitspielern, Teammitgliedern, Mitkämpfern verbessert man Fähigkeiten und vermehrt den Besitz an Zootieren, Feldfrüchten, Waffen usw. Das ist schlicht, aber es funktioniert bei Millionen von Menschen, auch bei mir.

Und ja, ich gebe sogar echtes Geld für virtuelle Gegenstände aus. So lange das im Rahmen bleibt, ist das nur halb so dämlich, wie es sich anhört. Denn es ist ja gar nicht so, dass man Euronen für Nichts hinblättert. Das Geld wird ja nicht für die in der Tat nicht vorhandenen Gegenstände ausgegeben, sondern für den Unterhaltungswert, den diese Gegenstände bringen. Gebe ich ein paar Euros aus, so kann ich mit den erworbenen Dingen lange Zeit auf einem Level mitspielen, das ohne diese nicht oder nur durch ungleich mehr Zeitaufwand möglich wäre. Da ich von vielleicht 10 Euro in auch nicht jedem Monat rede, aber sicherlich pro Monat zehn Stunden spiele, ist das immer noch deutlich günstiger als ein Kinobesuch.

Der Kinobesuch ist nicht zu vergleichen, weil er als kulturelles Erlebnis ungleich wertvoller ist, denn hirnloses Onlinespielen? Mag sein, aber nicht bei meiner Kinoauswahl, mindestens die Hälfte der Filme, die ich sehe, sind keine Güter der Hochkultur, sondern dienen einfach dem Ausspannen, wie das Onlinespiel.

Onlinespiele sind natürlich Zeitverschwendung, denn ich könnte diese zehn Stunden im Monat sicherlich sinnvoller verbringen. Aber ich verbringe fast den ganzen Tag ‘sinnvoll’ und zielgerichtet. Da freue ich mich, wenn ich ein Lektorat mal für zehn Minuten unterbrechen kann und mal eben in Mafia Wars ein paar Morde begehe oder in Castle Age helfe, den Drachen zu erschlagen. (Das ist pädagogisch bedenklich? Ach, Quatsch, diese Spiele sind von der Realität doch völlig unbeleckt.) So einfach bekomme ich eine kleine Auszeit sonst nicht, von diesen 10 Minuten verschlänge Dragon Age allein schon knapp 5, dafür dass ich rübergehe, die Konsole einschalte und das Spiel starte.

Bedenklich ist bei diesen Spielen nur die Sogwirkung. Die verspüre ich zwar, aber dem Sog zu widerstehen finde ich leicht, also spiele ich weiter. Aber ich sehe auch, dass andere da anders mit umgehen, und zwar so, dass ich nicht glauben kann, dass ihnen das gut tut. Durch die Statusmeldungen von Spielern kann man sehen, wie oft und wie lange jemand spielt, und das finde ich manchmal gar nicht so gut, obwohl es mich natürlich nichts angeht.

Durch die Spiele habe ich eine ganze Reihe von FB-’Freunden’, die ich nur als Mitspieler kenne, sonst weiß ich nichts über sie. Da ist beispielsweise dieser ältere, männliche US-Amerikaner, der fast rund um die Uhr 10 und mehr verschiedene Spiele spielt. Er schläft offenbar nur sehr wenig und scheint auch nicht mehr zu arbeiten, denn in fast jeder Stunde des Tages schickt er mindestens eine Statusmeldung aus einem Spiel heraus. Das ist eine Nutzung, hinter der kein ausgeglichener, zufriedener Mensch stecken kann, oder? Und er ist nicht der einzige, der so spielt. Meist sind es übrigens Frauen, die dieses Übermaß an Spielmeldungen produzieren.

Der Verdacht liegt nahe, dass in diesen Leben das reale Leben und die Familie, Freunde, Sport, Arbeit eine zu weit untergeordnete Rolle spielen. Da muss jeder selbst drüber nachdenken, was gesunde Ablenkung ist und ab wo es bedenklich wird. Und bei Kindern und Jugendlichen ist sicherlich Aufklärung und Begleitung nötig, um zu helfen, dass sich Prioritäten nicht verschieben. Und Arbeitgeber kann ich schon verstehen, wenn sie die Nutzung von Onlinespielen untersagen. Ich werde nach den Texten bezahlt, die ich schreibe oder überarbeite, aber wenn jemand nach Zeit bezahlt wird, ist der Wunsch, dass diese ungeteilt dem Bezahlenden gehört, legitim.

Ein Gedanke dazu nur noch: Wenn jemand so exzessiv spielt ... trägt das Spiel die Schuld daran? Oder läuft da nicht etwas anderes schief - Einsamkeit?, Angst? -, dass er oder sie sich so an diesen unzureichenden Ersatzerlebnissen festhält?

Aber insgesamt gesehen, sollte man die Kirche im Dorf lassen. Die Spiele sind schon ganz OK, wie immer ist es die Dosis, die ein Gift draus macht.


Montag, 10. Mai 2010

Ein Jahr Facebook-Erfahrungen: Teil 1, Die Kontakte

Seit einem Jahr bin ich jetzt Mitglied bei Facebook, dem größten der social networks, Grund für einen kleinen Erfahrungsbericht in vier Teilen. Dies ist Teil 1 und handelt vom Kern des Netzwerks, den Beziehungen.

Am wichtigsten an einem social network sind die Kontakte und Beziehungen. Was auch immer man alles an Einwänden gegen die Netzwerke bringen kann, so fällt mir zu dieser grundlegenden verbindenden Funktion nichts Negatives ein. (Missbrauch zu Betrugs- und anderen Zwecken lassen wir mal außen vor und reden nur von bestimmungsgemäßem Networkgebrauch.) Einige Besonderheiten gibt es aber schon.

So kenne ich beispielsweise von meinen augenblicklich etwa 320 FB-’Freunden’ nur die Hälfte persönlich und bin froh, dass ich diese Verbindung zu ihnen habe, weil ich so auf einfache Weise ein bisschen von dem mitbekomme, was sie so treiben. Aber die anderen, rein virtuellen Beziehungen, die haben auch etwas ...

Und es ist mir völlig egal, wie gehaltvoll oder -leer deren Statusmeldungen sind, es ist einfach nett, auf einen Blick etwas von all diesen Leuten etwas zu ‘hören’.

Teilweise bekommt man wichtige Infos, die sonst vielleicht an einem vorbeigegangen wären, über Link-Tipps lernt man interessante Dinge aus dem Netz kennen, auf die man allein nie gestoßen wäre, teilweise erfährt man Sachen von Bekannten, die einem so gar nicht bekannt waren (“Ey, die taucht ja auch”, “Cool, der engagiert sich gegen Rechts”).

Wie soll ich es beschreiben? Ja ... vielleicht mit diesem Bild. Durch das, was Kontaktpersonen in FB posten - und das ist bei MySpace, Wer kennt wen, den VZs usw. nicht anders - habe ich das Gefühl, ich “komme mehr raus”. Ich bin etwas näher dran am Leben meines Freundes- und Bekanntenkreises als ich es ohne FB wäre.

Das ersetzt echte Kontakte in keiner Weise! Ich glaube immer noch daran, dass echte Vertrautheit nur über real life-Kontakt geht, so wie ich es schon 1997 im CMC-Magazine beschrieben habe und vor kurzem im Interview mit einer lettischen Forscherin hier und hier aktualisierte.

Deshalb würde ich auch keine einzige Minute Treffen im Café gegen eine Stunde FB eintauschen. Aber ich möchte die social networks auch nicht missen und kann in ihrer Vernetzungsfunktion per se keine Nachteile erkennen.

Ja, ja ... man muss schon ein bisschen aufpassen. Nichts preisgeben, was sich gegen einen wenden kann usw. Das muss und kann man lernen. Sehr einfach sogar, denn es gibt nur ein paar Regeln zu beachten, und auf die weist einen eigentlich der gesunde Menschenverstand schon hin.

Dass sich trotzdem viele in social networks durch ihr Verhalten selber schaden, dem muss man durch Aufklärung begegnen. "Bewegen im Netz" als eigenes Schulfach - das wäre es. Und Kindern müssen die Eltern zur Seite stehen. Es ist doch ganz einfach Verhalten in der Öffentlichkeit, was man praktiziert, wenn man etwas postet. Kotzen Sie im Stadtpark besoffen in die Hecke? Nee, oder? Dann tun Sie es auch nicht auf FB. Daran einfach schon einmal jedes Mal denken ...

Und der Datenschutz? Aber natürlich ist der ganz, ganz wichtig, denn die Hoheit über die eigenen Daten ist eines der wichtigsten Besitztümer, die wir haben. Aber deshalb muss ich ja nicht gegen die Funktionen von social networks sein. Ich muss nur dafür plädieren, dass die networks als Kontaktbasis sich an Datenschutz halten. Was Facebook nicht tut, eindeutig. Und das ist auch, was mir das Vergnügen FB schon fast wieder vermiesen kann ...

Voraussichtlich Mittwoch folgt Teil 2, über die Spiele - bleiben Sie mir gewogen.

Freitag, 7. Mai 2010

Ein Jahr Facebook - Erfahrungen und Beobachtungen

Seit einem Jahr bin ich jetzt Mitglied bei Facebook, dem größten social network der Welt, in dem unter anderem schon jeder zehnte Deutsche Mitglied ist. Als der Kommunikationswissenschaftler, der immer noch in mir drin steckt, ist das Anlass für einen Rückblick.

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Grund, Mitglied bei Facebook zu werden, war die strategische Überlegung, dass ich als freiberuflicher Autor problemlos aufgefunden werden möchte, egal wer wo nach mir oder einer der Dienstleistungen suchen würde, die ich anbiete. Das bedeutet: Internetpräsenz mit eigenen Sites, Blogs, Twitter, Business Networks wie Xing und Social Networks, also ganz sicher auch das größte. Mehr als meinen Namen dort unterzubringen, wollte ich eigentlich nicht.

Das war der Plan und nun läuft Facebook in einem Browserfenster eigentlich ständig mit, und immer wenn ich eine kleine Pause mache, mir einen neuen Kaffee hole oder bevor ich die Kiste nachts ausschalte, schaue ich einmal bei FB rein. Es entfaltete sich doch eine nicht erwartete Sogwirkung, die dafür sorgt, dass ich eine ganze Menge Zeit auf den Seiten von Facebook verbringe. Aber da ich beispielsweise gar nicht fernsehe, ist es doch relativ undramatisch, wenn ich etwa eine Stunde pro Tag bei FB rumhänge.

Warum ich das mache und warum FB - und andere social networks - eine prima Sache sind, deren Vorteile ihre Nachteile überwiegen, schreibe ich in einer kleinen, vierteiligen Serie in diesem Blog auf. Interessiert? Das freut mich sehr! Abonnieren Sie den Feed, oder meinen Twitter-Account, da werde ich in den nächsten Tagen jeden der vier Teile bei Veröffentlichung ankündigen.

Am Montag geht es los mit dem wichtigsten Thema - den Netzwerkkontakten. Dann wird es um die Spiele gehen. Dem werden Beobachtungen der anderen Leute folgen, die ich auf FB gemacht habe. Die Reihe wird mit einer kurzen Betrachtung der spezifischen Kommunikationsweisen schließen.

Mittwoch, 5. Mai 2010

SF-Vorträge jetzt auch als MP3

Ach, das geht alles so schön einfach an modernen Computern ... Und schon sind die Vorträge der FedCon, Reise zu den (Noch)-Nicht-Orten und Die Prometheus-Papiere (unter diesen Links finden Sie die Verschriftlichungen), mit wenigen Mausklicks geschnitten und schwuppdiwupp hochgeladen.

Falls Sie mir also lieber zuhören als mich lesen möchten, laden Sie doch einfach die Vorträge auf ihren Computer oder MP3-Player. Und entschuldigen Sie das Gestotter am Ende der Prometheus-Papiere, da konnte ich einen handschriftlichen Nachtrag nicht entziffern ... ich hatte immer eine 5 oder 6, als Handschrift noch benotet wurde ...

ohrhoerer

Dienstag, 4. Mai 2010

Vorsicht, Mühsal

Oh je, sehen Sie sich bloß vor, bevor Sie auf polyoinos weiterlesen: Ich selbst lese nämlich gerade im Editorial der MacLife, wie mühsam das werden könnte.

Die Chefredakteurin Charlotte Stanek klärt dort nämlich über das veränderte Kommunikationsverhalten im Netz auf. "Lange Texte sind mühsam zu lesen", steht dort, und ich fürchte, lange Texte sind das, was Sie hier bei mir erwartet.

Statt langer Texte und gut recherchierter Artikel, so Stanek, verändere sich die Kommunikation im Netz hin zu kurzen Texten, besser noch gar keinen Texten und stattdessen knackigen Bildern und kurzen Videoclips.

Die "digital natives" haben keine Zeit mehr, das gedruckte Wort zu lesen und reiten stattdessen auf einer "Welle des Wissens", die nicht auf langwierigem investigativem Journalismus mehr beruht, sondern mit "vermuteten" Sachverhalten vorlieb nimmt, weil die Vermutung schneller als der Beweis ist und deshalb auch schneller ausposaunt werden kann.

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Das alles findet Frau Stanek auch gar nicht schlecht und hält es für den Vorboten eines mehr oder weniger begrüßenswerten "Neosozialismus". Was sie damit meint, erklärt sie nicht im Detail, aber das Wort lässt vermuten, dass damit eine Art Informationsgleichmacherei gemeint ist, in der jeder jeden mit seinen Vermutungen unterhält. Na das ist ja mal eine schöne Art von Newspeak ...

Ist das wirklich so? Ich glaube nicht. Und mein Glaube ist so fest und unerschütterlich, dass ich an dieser Stelle weiterhin Texte im Umfang von zehn DIN-A4-Seiten und mehr produzieren werde, für die ich weiterhin jeweils etwa 10 Bücher lesen werde. Ich hoffe, auch Ihnen wird es nicht zu mühselig werden, zu lesen, und wünsche Ihnen viel Spaß mit Ihren nächsten guten Büchern und der Zeit, FAZ, SZ, Times, Independent, Le Monde usw.

Montag, 3. Mai 2010

Science Fiction, Definition und Geschichte

Die ersten Schritte auf dem Weg zu einem neuen Buch über die Science Fiction sind getan. Am Wochenende habe ich auf der FedCon zwei Vorträge gehalten, die an wesentlicher Stelle in den Betrachtungen von SF stehen: die Definition und Funktionen von SF einerseits und eine kleine Geschichte des Genres, die die SF mit der realen Weltgeschichte verknüpft andererseits, was im Falle dieses Genres von ganz besonderem Interesse ist.

Die Vorträge sind von einem fachkundigen Publikum wohlwollend aufgenommen worden; es scheint, dass ich mich auf einem guten Weg befinde. Aber ich freue mich natürlich über jeglichen Input. Deshalb stehen ab sofort die beiden Vortragstexte hier auf polyoinos zur Lektüre zur Verfügung. Zwei Audioaufzeichnungen werden folgen, sobald ich dazu komme, sie nachzubearbeiten.

Wenn Sie also interessiert, warum die Reflektionsleistungen von SF zeigen, dass das Genre eigentlich ein ziemlich realistisches ist und warum es reicht, SF als "Science Fiction sind phantastische Geschichten, deren irreale Anteile dem wissenschaftlichen Erkenntnisstand der Autorinnen und Autoren nicht widersprechen." zu definieren, dann lesen Sie doch einmal in die Prometheus-Papiere und in die (Noch)-Nicht-Orte hinein.

IMG_7681 - Arbeitskopie 2
Auf zu neuen Welten ...