Mittwoch, 19. Oktober 2011

Vom Tod, eine Anthologie - Aufruf zum Schreiben

Ja, die RingCon sie macht vorher Arbeit und dann kommt man mit noch viel mehr zurück. Aber vieles davon macht sehr viel Spaß, so auch dieses hier: ein Aufruf, eine Geschichte über den Tod zu verfassen. Und zwar in der Form, dass der Tod als Handelnder in irgendeiner Form vorkommt. Lust drauf?

Friedhelm Schneidewind und ich legen einen neuen Kurzgeschichtensammelband in der Reihe "Edition Stein und Baum" auf. Das haben wir schon zwei Mal gemacht, und es sind wirklich schöne Bücher dabei herausgekommen. Das wird sicher auch dieses Mal der Fall sein. Machen Sie doch mit und senden Sie uns eine Geschichte ein.

Hier die nötigen Infos:

»Du bist der Rechte, du holst den Reichen wie den Armen
ohne Unterschied, du sollst mein Gevattersmann sein.«
aus »Der Gevatter Tod«, ein Märchen der Brüder Grimm

VOM TOD
Um Liebe, Leidenschaft und Tod drehen sich viele der besten Werke in Literatur, Film, Musik und anderen Kunstformen. Und nicht selten taucht er oder sie in Person auf, in der Fantasy-Literatur beispielsweise bei Terry Pratchett, Cornelia Funke, Joanne K. Rowling und Fritz Leiber, in Kino und Fernsehen nicht erst im 1998 »Rendezvous mit Joe Black« und 1960 im DE FA-Film »Gevatter Tod« nach dem Märchen der Brüder Grimm, sondern auch schon in frühen Filmen und sogar in der Werbung.

Die Märchen und Sagen mit dem handelnden Tod als Person sind unzählbar, im Decamerone taucht er ebenso auf wie in vielen Kunstmärchen, in der Bildenden Kunst ist er spätestens seit den mittelalterlichen Totentänzen häufig dargestellt,
und er taucht in vielen Liedern auf wie etwa in »Der Tod und das Mädchen«.

VOM TOD als Person also sollen die Geschichten handeln, die wir suchen, für unsere Anthologie, die im Herbst 2012 erscheinen soll.

Eingang — po_de (228 E-Mails)

Ablauf:
Einsendung wenn möglich bisher unveröffentlichter Texte an den Verlag (s. u.) bis zum 30.03.2012 – Auswahl durch die Herausgeber Friedhelm Schneidewind und Frank Weinreich bis Ende Mai 2012 – Lektorat bis Ende Juli 2012 – Buchvorstellung Herbst 2012.

Bedingungen: Die Urheberrechte verbleiben bei den AutorInnen, der Verlag erwirbt das Recht des Abdrucks in der Anthologie. Honorar gibt es ab dem 1000. verkauften
Exemplar. AutorInnen können Bücher mit einem Rabatt von 30 % erwerben; sie verpflichten sich, mindestens 10 Exemplare abzunehmen.

Verlag der Villa Fledermaus
Verlag und Produktionsgesellschaft Helen Schneidewind – Villa Fledermaus
Sitz: Villa Fledermaus · A uf der Adt 14 · 66130 Saarbrücken
Schlossgasse 51 · 69502 Hemsbach (Deutschland/Germany)
Tel. 06201 4709292 · Fax 06201 4709293
www.villa-fledermaus.de · www.stein-und-baum.de

Montag, 17. Oktober 2011

Die gelungene Überraschung: unser neues Buch "Zwischen den Spiegeln"

Es war ein arbeitsamer Sommer ... mehr kann ich als Entschuldigung für das verwaiste Blog nicht anführen. Aber gerade komme ich von der RingCon zurück und muss Ihnen jetzt unbedingt davon erzählen, wie uns die Überraschung mit dem letzten Buchprojekt gelungen ist, mit "Zwischen den Spiegeln. Neue Perspektiven auf die Phantastik", das am Freitag erschienen ist und auf der RingCon dem Publikum und einem völlig erstaunten Friedhelm Schneidewind vorgestellt wurde.

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Denn es ist letztlich sein Buch, ein Buch für einen bedeutenden Forscher, von dem wir befürchten mussten, dass er bald nicht mehr unter uns sein würde, und der auch jetzt und in Zukunft unter dem Damoklesschwert des Krebses leben muss.

Damit plaudere ich nichts aus, was Friedhelm nicht recht wäre. Denn er selbst hat vor einem Jahr auf der RingCon seine Krebserkrankung in offensiver Weise öffentlich gemacht und steht auch jetzt jederzeit dazu, was nicht einer gewissen Beispielhaftigkeit entbehrt, mit diesem immer noch mit einem Tabu versehenen Thema umzugehen.

Auf eben dieser RingCon 2010 setzten sich Julian Eilmann und Oliver Bidlo ziemlich geschockt zusammen, und überlegten, wie man Friedhelm in so einer Situation helfen könnte. Nun, jeder auf seine Weise eben. Und unsere Weise, die der Schreiberlinge, ist nun mal das Schreiben. Schnell war die Idee geboren, Friedhelm eine Festschrift zu widmen, und ich freue mich sehr, dass Julian und Oliver sofort an mich dachten (letztes Jahr war ich das erste Mal nicht auf der Con), ihnen bei der Arbeit als Herausgeber, Lektor und Autor zu helfen. Geschriebene Worte sind die Währung, in der wir uns mit der Welt verständigen, und so sollten es auch geschriebene Worte sein, die Friedhelm zur Seite stehen würden.

In erster Linie natürlich als Trost und zum Mut machen. Als Beweis, dass seine Freunde an seiner Seite stehen. Aber durchaus auch praktisch, denn alle Beteiligten verzichten auf jegliche Einnahmen, so dass alles, was das Buch erwirtschaftet, auf Friedhelms Konto überwiesen wird. Für uns Freiberufler ist Krankheit nämlich immer mindestens eine doppelte Belastung: Zum Kranksein tritt der Verdienstausfall hinzu. (Versicherungen? Ja klar. Verdienen Sie erst einmal ausreichend, um das angemessen versichern zu können.)

In erster Linie aber soll der Band Friedhelms Schneidewind Arbeit als Autor und Forscher ehren. Seine Bücher und Artikel, aber auch Kurzgeschichten, Lieder und Theaterstücke über Phantastik gehen in die Dutzende und stellen einen wichtigen Beitrag zum Fundus der Phantastik dar wie auch zur Forschung über das Genre. Die Drohung, dass diese Stimme verstummen könnte, machte uns wieder klar, wie sehr alle Arbeit rund um die Kunst und Literatur von den Individuen getragen wird, die sie verrichten.

Die meiste Arbeit heutzutage wird in Teams erledigt, und das ist nicht nur nötig und angemessen, sondern kommt auch unserem Wesen als Menschen entgegen. Kreative arbeiten natürlich auch in Teams, aber ein Gutteil ihrer Arbeit ist doch eine ganz individuelle Leistung des Schöpfens, des genauen Durchdenkens, der einsamen Geistesblitze und analytischen Schritte. Umso auffälliger ist dann die Lücke, wenn jemand nicht mehr da ist, an dessen Geistesblitze man sich gewöhnt hat. Soweit ist es jetzt, nach erst einmal erfolgreicher Therapie, zum Glück bei Weitem noch nicht, doch erschien uns die Situation dringlich, diese Stimme zu ehren und ihm in unserer Währung zu zeigen, was wir von ihm halten, solange er noch da ist.

Und das sahen die Freunde, die wir ansprachen und um Mitarbeit an dem Buch baten, genauso. (Eine Aufstellung der Autorinnen und Autoren sowie des Inhaltes finden Sie in diesem Blogbeitrag.) Und damit ging eine echte Geheimoperation los. Denn eines war klar: Es sollte eine Überraschung werden.

Was gar nicht so leicht ist, wenn alle Beteiligten gute Freunde des zu Überraschendne sind. Konspirativer Mailverkehr musste unter Verschluss gehalten werden, vorbereitende Sitzungen mussten im Untergrund abgehalten werden, und wenn wir jemandem aus unserem Bekanntenkreis von dem Vorhaben erzählten, so mussten wir ihn danach töten. Besonders lustig fand ich, dass Julian, wenn er mir eine Mail schrieb, immer dreifach checkte, dass die wirklich an mich ging, denn Frank beginnt ja mit den gleichen Buchstaben wie Friedhelm.

Spannend wurde es besonders, als das Programm der RingCon 2011 online ging, denn dort war ja die Buchvorstellung angekündigt. Und Friedhelm, interessierter Freund, der er ist, wollte natürlich wissen, was wir denn da für ein Projekt vorstellen würden. Es war eine Zeit der Ausflüchte und des Leugnens und man wagte kaum mehr, das Klingeln des Telefons zu bedienen.

Und er hat bis zum Schluss nix gemerkt! Sie können sich kaum vorstellen, was für einen Spaß es gemacht hat, im Beethoven-Saal des Maritim zu stehen, Friedhelm unten im Publikum, das Buch hochzuhalten und es ihm zu widmen.

Oh, er war gerührt. Seine Freude allein wäre es schon Wert gewesen, das Buch gemacht zu haben.

Wenn wir am Schreibtisch sitzen und etwas schreiben, dann tun wir das immer mit ganzem Ernst und der Überzeugung, das Richtige zu tun. Manchmal aber bekommt man eine ganz unmittelbare Bestätigung, dass das auch wirklich geklappt hat ...

Neues Buch erschienen: Zwischen den Spiegeln

Es ist ein neues Buch im Oldib-Verlag erschienen, an dem polyoinos als Herausgeber und Autor beteiligt war: Zwischen den Spiegeln. Neue Perspektiven auf die Phantastik. Es enthält neun Aufsätze zur Phantastik im Allgemeinen sowie Tolkien im Besonderen, die vor allem eines vereint: Sie spiegeln die Arbeitsgebiete wieder, die Friedhelm Schneidewind beschäftigen. Denn dieses Buch ist vor allem eine Festschrift für ihn, für einen bedeutenden Phantastikforscher, dessen schwere Erkrankung uns vor einem Jahr wieder einmal zeigte, dass Forschung besonders an den forschenden Personen hängt, und den wir deshalb mit diesem Buch ehren und auch Trost und Hoffnung spenden wollten. Zur Entstehungsgeschichte des Bandes, die von traurig bis zu komisch reichte, gibt es hier einen eigenen Blogbeitrag.

Dazu ist es uns gelungen, Freunde zusammenzutrommeln, die alle gerne - und mit Herzblut - dazu beigetragen haben, einen würdigen Sammelband auf die Beine zu stellen. Das ergab eine Autorenmischung von frischen jungen Autoren, wie Sebastian Kleinen, der hier seine erste Publikation vorlegt, bis zu alten und im Genre bestens bekannten Hasen, wie Helmut Pesch oder Thomas Honegger. Tüpfelchen auf dem i war der unschätzbare Beitrag von Anke Eissmann, die das Cover entworfen und jeden einzelnen Beitrag mit einem eigens gezeichneten Bild eingeleitet hat.

Natürlich können Sie von mir hier nichts anderes erwarten als einen Lobpreis des Buches, aber ich glaube, der ist berechtigt und weise deshalb mit nicht geringem Stolz auf den Band hin.

Worum es im Einzelnen geht? Das erfahren Sie in dem folgenden Auszug aus der Einleitung:

Frank Weinreich (ich weiß, der Esel nennt sich selbst zuerst, aber meiner ist nun mal der erste Beitrag in dem Buch ...) untersucht in Die Pole der Fantasy die Bandbreite des Genres Fantasy hinsichtlich ihrer Wirkung am Beispiel des von J.R.R. Tolkien ins Spiel gebrachten Begriffes der Verzauberung - enchantment (On Fairy Stories, OFS 14) -, die Genrewerke auszulösen vermögen. Er zeigt dabei eine Entwicklung der Fantasy auf, die sich von Tolkiens Prinzip der Verzauberung entfernt und stattdessen einen zunehmend realistischen Ansatz verfolgt, der seinen derzeitigen Höhepunkt in den Büchern Joe Abercrombies findet, dem es auf die Verzauberung seiner Leser überhaupt nicht mehr anzukommen scheint. Da aber Fantasy eine spielerische Suche darstellt, die Bedürfnisse des Menschen nach Sinn und einer höheren Ordnung zu befriedigen, droht das Genre auf diesem Wege, seinen ursprünglichen Charakter grundlegend zu wandeln. Dass dies trotz aller Weiterentwicklung und Modernisierung von Erzählweisen und -themen nicht zwangsläufig so sein muss, und dass Fantasy ihre Leserinnen und Leser weiterhin in zauberhafte Reiche zu entführen vermag, zeigt Weinreich abschließend am Beispiel der Werke Andrzej Sapkowskis und seines Geralt-Zyklusses auf.

Anja Stürzer zieht in Wormtongue und Wormtail einen Vergleich zwischen Tolkiens Lord of the Rings und Joanne K. Rowlings Harry Potter. Obwohl Rowling einen wesentlichen Einfluss Tolkiens auf die Bücher ihres Zauberschülers bestreitet, gelingt es Stürzer, manche Parallele als offensichtlich ins rechte Licht zu rücken und andere, erstaunlichere Parallelen vor Augen zu führen, die doch eine engere Verwandtschaft zwischen diesen beiden Fantasy-Highlights nahelegen, als dies der erste Blick auf die beiden Bücher vermuten lässt. Dabei beschränkt die Autorin sich nicht auf eine mehr oder weniger ergiebige Aufzählung inhaltlicher Details, sondern lässt Strukturelemente, Erzähltechniken, Figurenkonstellationen, die unterliegenden Ethiken und den mythologischen Hintergrund in den Vergleich einfließen, sodass neben einer bloßen Gegenüberstellung auch weitergehende Analysen für beide Werke vorgenommen werden.

Im Blickfeld von Julian Eilmanns Aufsatz steht Tolkiens Die Kinder Húrins, eine Erzählung, die bei manchen Lesern den Eindruck erweckt, dass es sich hierbei um ein „tragisches“ Werk handelt. Diesen Leseeindruck greift Julian Eilmann in seiner Studie auf und geht der Frage nach, inwiefern die Geschichte Túrin Turambars tatsächlich als eine Tragödie im Sinne der aristotelischen Tragödientheorie verstanden werden kann. Durch einen genauen Vergleich zwischen den von Aristoteles beschriebenen Wesensmerkmalen der Tragödie und Tolkiens Erzählung wird dabei deutlich, wie die tragische Wirkung der Túrin-Geschichte im Detail zustande kommt und was den besonderen Reiz der Erzählung ausmacht.

Drachen stellen eines der bekanntesten Wesen der Phantastik dar und sind deshalb immer wieder in zahlreichen mythologischen Texten und Werken der phantastischen Literatur präsent. Nicht zuletzt Tolkien hat den Drachen in den Gestalten Smaugs oder Chrysophylax´ ein literarisches Denkmal gesetzt. Professor Thomas Honegger, Gründer und wissenschaftlicher Leiter von Walking Tree Publishers, macht in seinem Aufsatz deutlich, warum der Drache die Menschen seit jeher fasziniert und warum dieses Ungeheuer auch im 21. Jahrhundert immer wieder in Erscheinung tritt – und sei es nur in der Spielwarenabteilung der Kaufhäuser. Honeggers Untersuchung schärft somit unseren Blick dafür, welche Veränderungen das Drachenbild in der Literatur und Kultur historisch durchlaufen hat und welche Vorstellungen vom Fabelwesen Drache bis heute präsent und damit wirkungsmächtig sind.

Friedhelm Schneidewinds Begeisterung für die Musik in Tolkiens Werk teilt er mit Heidi Steimel, mit der zusammen er einen lesenswerten Sammelband zur Musik in Mittelerde herausgegeben hat. Für den vorliegenden Band hat sich Heidi Steimel die Mühe gemacht, ein Lexikon mit den wichtigsten Personen, Orten, Instrumenten und Begriffen, die im Zusammenhang mit der Mittelerde-Musik stehen, zusammenzustellen. Für den geneigten Leser mag dieses Kompendium ein kundiger Führer dabei sein, den Spuren der Musik in Tolkiens Werk genauer zu folgen.

Dr. Oliver Bidlo widmet sich in seinem Beitrag Tolkien und der Jugendstil der Frage, wie Tolkien die Kunst des Zeichnens in seine Arbeit hat einfließen lassen. Tolkien hat nicht nur geschrieben, sondern oft zuerst eine Szene, Situation oder eine Figur gezeichnet, bevor er begann, über sie zu schreiben. Bidlo zeigt auf, wie unterschiedlich der Jugendstil Eingang in Tolkiens Denken gefunden hat. So geht der Einfluss des Jugendstils über die Ausgestaltung einzelner (z. B. elbischer) Artefakte (Schmuck, Architektur u. a.) in Mittelerde hinaus. Als Urquelle für die Bedeutung des Jugendstils bei Tolkien wird im Beitrag die Geistesströmung der Romantik identifiziert, als deren Anhänger Tolkien ausgewiesen wird.

Runen spielen in Mittelerde eine vielfältige Rolle. Umso interessanter ist es, dass es bisher kaum eine fundierte Auseinandersetzung mit diesen besonderen Zeichen gibt und sie meist im Schatten der elbischen Schrift und Sprache stehen. Sebastian Kleinen gibt in seinem Beitrag Einführung in die Runenkunde von Mittelerde einen profunden Überblick über die vielschichtigen Runenschriften in Tolkiens Werk. Im Gegensatz zu den anderen Schriften in Mittelerde hat Tolkien die Runen nicht selbst erfunden, sondern rekurriert auf germanische und angelsächsische Runenreihen, die er teilweise übernimmt oder ableitet. Daher ist die Beschäftigung mit den Runen in Mittelerde zugleich auch eine Beschäftigung mit ihrer real-historischen Bedeutung und ihrer entsprechenden Geschichte.

In Iluvatar, steh uns bei! untersucht Stefan Servos, der Gründer und Chef von herr-der-ringe-film.de, das Thema Religion aus laientheologischer Sicht – ein hochinteressanter Ansatz, der einen neuen Aspekt in den Blätterwald von (in der Regel fach-)theologisch ausgerichteten Untersuchungen der Mittelerdedichtung darstellt. Seit längerem wird diskutiert, dass es merkwürdig ist, dass der überzeugte Katholik eine Welt und Gesellschaftsformen geschaffen hat, die von einem auffälligen Fehlen religiöser Elemente – etwa offener Gottesverehrung, Kulthandlungen, Tempel oder Kirchen – gekennzeichnet ist, während der Autor Mittelerde doch als eine Welt natürlicher Religion (Letters 220) und fairy-stories, worunter natürlich auch Der Herr der Ringe fällt, als biblisch inspiriert bezeichnete (OFS 62-66). Eng am Text arbeitend, stellt Servos die erstaunlich vielfältigen und plötzlich offensichtlich erscheinenden Stellen heraus, die eben diese natürliche Religion und die Verbindung zur christlichen Weltsicht zeigen. Dabei wird auch klar, dass Tolkien mit dem polytheistischen Einfluss der Mythen, die er so sehr liebte und mit einfließen lassen wollte, kämpfte und dass deshalb Der Herr der Ringe ein mehrschichtiges Bild auch in Fragen religiöser Konnotationen zeigt.

Wie kommt das Böse in die Welt? Und zwar in die Welt Mittelerde J.R.R. Tolkiens. Diese Frage stellt der bekannte Fantasy-Experte Dr. Helmut Pesch in Die Wurzel des Bösen und sucht wie Tolkien selbst bei dem mittelalterlichen englischen Dichter Geoffrey Chaucer, der die Habgier - cupiditas oder possessiveness, eine der Kardinalsünden - als den Quell des Bösen in unserer realen Welt ausmacht. Pesch zeigt, dass die Verurteilung der Habgier Tolkiens Werk durchzieht, auch außerhalb von Der Herr der Ringe, betrachtet sie dann aber höchst differenziert und zeigt auf, dass sie in verschiedenen Formen auftritt und mit Ambivalenzen einhergeht, die zeigen, dass sich die Wurzel des Bösen doch nicht so einfach identifizieren lässt, wie es auf den ersten Blick erscheinen mag. Wieder zeigt sich, dass der schnelle schwarz-weiße Pinselstrich dem Werk des Professors nicht gerecht wird.

Nicht nur die analytische Auseinandersetzung mit der Phantastik als Thema findet sich in diesem Band, sondern auch eine künstlerische Herangehensweise. Diese verdanken wir der wohl bekanntesten deutschen Tolkienillustratorin, Anke Eissmann. Die Künstlerin hat nicht nur jeden Aufsatz mit einer stilvollen Illustration bereichert, sondern auch das Titelbild und den Umschlag des Bandes entworfen und gestaltet. Hierbei hat sich Anke Eissmann von einem imaginären Schreibtisch Schneidewinds inspirieren lassen, der die oben angesprochenen Themen reflektiert.

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Auch Spiegel reflektieren etwas – so wie das Werk Schneidewinds und die Aufsätze dieses Buches. Aber das, was gespiegelt wird, ist mehr und anders, als der oberflächliche erste Eindruck nahelegt. So wie Alice ins Wunderland, wandern auch wir zwischen den Spiegeln durch die Gefilde der Phantastik und gelangen zu neuen Perspektiven und Reflexionen auf vermeintlich Bekanntes. Die Funde dieser Wanderung wollen präsentiert werden. Ein besonderer Dank geht deshalb an Dirk Bartholomä, den Veranstalter der RingCon und unzähliger anderer phantastischer Events, der auch fernab des Mainstreams uns so genannten intellectuals eine Plattform für die Vorstellung und Diskussion unserer Arbeit bietet.

So weit zu dem Buch. Wenn Sie Fragen dazu haben - immer her damit. Und sonst wünschen wir uns natürlich, dass Sie sich das Buch anschaffen. Es ist normal über den Buchhandel, Onlinehändler oder direkt beim Verlag, www.oldib-verlag.de, erhältlich.

Donnerstag, 14. Juli 2011

Lecture: Fantasy - Definition, History, Characteristics and Meaning

In May I had the honor of giving a talk at the University of Aachen, in which I was given the task to present the genre of fantasy within one hour´s length. The text of this lecture is online now after Dr. Margaret Hiley was so kind to turn my Pidgin English into something presentable. Thanxalot, Meggie!

The talk is a condensed version of thoughts and insights I have published about Fantasy scattered over various articles and books over the last ten years. So if you have been reading the respective articles on polyoinos, you won´t find very much new stuff. But you will find my arguments neatly lined up and get a good impression of what fantasy is about, so I hope you won´t find it a waste of time to look up this (alas, not so short, ~ 8.500 words) article, even if you are familiar with what is published on my site.

Hope you enjoy: Fantasy - Definition, History, Characteristics and Meaning

Montag, 4. Juli 2011

Neuer Artikel über Genres

Das waren anstrengende vier Wochen, in denen neben den üblichen Aufträgen vier Vorträge und eine Kurzgeschichte entstanden. Jetzt nähern sich die Sommerferien und so langsam klärt sich auch mein Schreibtisch.

Von den fünf kürzlich entstandenen Schriften kann ich Ihnen hier auf polyoinos erst einmal nur eine anbieten, denn die Kurzgeschichte hat noch ein ungeklärtes Rechteproblem und drei der vier Vorträge sind für die Veröffentlichung andernorts reserviert. Doch die Genrebetrachtungen kommen hier zu stehen, und ich würde mich sehr freuen, wenn Sie sie lesen und eventuell sogar einen Kommentar hinterließen.

Je mehr ich mich mit den Genres der phantastischen Literatur befasse und mit Kolleginnen und Kollegen austausche, desto stärker wird mir klar, wie fragil der Genrebegriff ist, wie fließend alle Grenzen sind. Und dass man doch nicht auf Genres verzichten kann. Nicht nur wegen des Buchmarketings, für die Genres lebenswichtig sind, sondern auch für die literarische Diskussion. Nur, so finde ich, sollte man die Genres ganz entspannt sehen, weil die Klassifikationsmöglichkeiten eben starken Einschränkungen unterliegen, derer man sich im Gespräch bewusst sein sollte.

Das habe ich mal in einem Gedankengang zusammengefasst und auf dem letzten Elbenwaldspektakel vorgetragen. Die Publikumsresonanz bestärkte mich darin, dass die Ideen wohl ganz brauchbar sind, aber lesen Sie doch bitte selbst: Fantasy, Science Fiction, Horror - Gedanken über die Aussagekraft von Genreeinteilungen in der phantastischen Literatur.


Montag, 6. Juni 2011

Die wichtigsten Literaten Deutschlands ...

... schreiben kaum Phantastisches, und das ist nach Meinung der vierunddreißigwichtigsten Literatin, Elke Heidenreich, auch ein Glück, denn was man so auf den Bestsellerlisten sieht - "Vampire, Trolle, Elfen, Morde" - ist einfach "entsetzlich", so die 'Grande Dame' der deutschen Literatur. So meint sie zumindest in dem Artikel "Unsere Besten" im Focus vom 6.6.2011 (S. 68-74).

Der Focus hat eine Studie auf die Beine gestellt, um die wichtigsten deutschen Prosa-Autoren zu ermitteln. Auf den ersten zehn Plätzen der wichtigsten Autorinnen und Autoren steht mit Cornelia Funke auf Platz 4 nur eine ausgewiesene Phantastikautorin, und auch im Weiteren taucht niemand der üblichen Verdächtigen aus der phantastischen Szene mehr auf. (Gewinner? Grass auf eins, Walser auf zwei usw.)

Grundlage der Rangliste ist eine Kombination von Verkaufszahlen, Berichterstattung in den Medien, eigenen Fernsehauftritten, Auszeichnungen, Empfehlungslisten und dem Google-News-Index. Da scheint es erst einmal schon erstaunlich, dass keine Phantasten unter den ersten 50 Plätzen zu finden sind. Doch auf den zweiten Blick zeigt sich dabei mehr als nur, dass Frau Heidenreich auch von den Bestsellerlisten keine Ahnung hat.

Erstens muss man die populärsten Listen, etwa die des Spiegel, relativieren, da dort nicht nach Nationalität unterschieden wird. Dann sind es zwar in Schüben auch Phantasten, die vorne mitmischen - etwa Joanne Rowling und Tolkien bei jedem neuen Film -, sonst aber überwiegen konstant Krimis und Thriller. Aber deren Autorinnen und Autoren sind meist keine Deutschen. Also stimmt es insgesamt (leider) sowieso nicht, dass die deutschen Verkaufslisten von deutschen Phantasten beherrscht werden.

Zweitens sind Medienpräsenz und Auszeichnungen Währungen, von denen Phantasten meist wenig profitieren, was an der Hypothek liegt, die die Phantastik als angebliches Schundgenre immer noch mit sich rumschleppt:
- Phantasten werden wenig ausgezeichnet? - Okay, das mag daran liegen, dass sie eben alle schlecht schreiben ...
- Phantasten werden nicht interviewt? - Klar, sie haben nichts zu sagen, denn sie schreiben nur über Wolkenkuckucksheime ...
Wenn Phantasten aber medial nicht so präsent sind, dann haben sie auch wenig Chancen über andere Listen und Indizes erfasst zu werden.

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Also, wenn man sich mal so diese Phantastik betrachtet ...

Das relativiert den Eindruck der Unwichtigkeit der Phantasten denn doch. Dass nämlich sie alle so schlecht schreiben, ist Quatsch, wie der Verweis auf die jahrtausendelange Phantastiktradition der Geschichte schon beweist. (Elke Heidenreich mag Phantasten ja auch, sie müssen nur mindestens hundertfünfzig Jahre tot sein ... Goethe, Shakespeare, Aischylos ...)

Dass sie nichts zu sagen haben, widerlegt das gleiche Argument, denn Menschen würden Phantasten nicht seit Jahrtausenden zuhören, wenn sie irrelevante Themen drauf hätten: "Phantasten reden nicht weniger ernsthaft als jeder Soziologe - und sehr viel verständlicher - über das menschliche Leben" (Ursula Le Guin).

Nein, dass die mediale Aufmerksamkeit nicht in gleichem Maße da ist wie für die E-Literatur, hat mit Verständnis- und Akzeptanzfragen zu tun. Exzellente Akzeptanz und damit mediale Aufmerksamkeit wiederum bedingen andererseits auch einen großen Teil des Verkaufserfolges der E-Literatinnen und -literaten, die dann eben auch gekauft (wenn auch nicht unbedingt in gleichem Maße gelesen) werden. Deshalb kommt Markolf Hoffmann auch auf grundsätzlich weniger Verkaufszahlen als Martin Walser. Dass auch Markolf sein Handwerk perfekt beherrscht, kriegen dann vergleichsweise nur wenige Leser mit.

(Sie sagen, es gibt auch schlechte Phantasten? Natürlich! Wie überall sonst auch ...)

Aber Verkaufszahlen können sich natürlich immer auch ändern. Wenn Phantasten einen großen Verkaufserfolg haben, kann dieser, wie bei Rowling eben, auch alles, was in der E-Literatur gewohnt ist, weit überflügeln. Interessanter ist, was sich auf den Buchregalen in den Buchhandlungen tut.

Da stehen sehr viele verschiedene Phantasten und legen Zeugnis von einer lebendigen Szene ab. Nimmt man das Internet und seine Communities, die Gamer sowie die rege Offline-Szene dazu, so zeigt sich schon ein ganz anderes Bild des Genre-Erfolgs. Und wenn man diesen Leuten live oder in den Foren lauscht, so zeigt sich auch, dass die Bedeutung der Phantastik eher in Richtung Le Guins Ansichten als in die von Frau Heidenreich geht.

Con-Geplauder lässt sich nun schlecht belegen, aber schauen Sie einfach mal in die seitenweise verlaufenden Threads rein, in denen diskutiert wird, was mit diesem oder jenem Umstand/Ereignis/Person gemeint ist, und welche Bedeutung das für die Geschichte hat und warum dies wiederum für das Leben der diskutierenden Leserinnen bedeutsam ist. Da läuft etwas ab in der Phantastik und zeigt, dass sie ein höchst aktiver Teil der Kultur ist.

Die Inhalte scheinen mir bei der Einschätzung des kulturellen Lebens denn auch interessanter als Personen. Brillant war und ist etwa Grass´ Danziger Trilogie, und sie ist auch zeitlos, wo sie über den Menschen und seine Situation nachsinnt. Aber heute werden ähnliche Fragen in anderen Worten und mit neuen Motiven durchdekliniert, und neue Autorinnen geben auch andere Antworten.

Vor diesem Hintergrund kommen mir Personenrankings der wichtigsten Literaten dann weit weniger relevant vor als die Diskussion der wichtigsten literarischen Themen und Motive. Und da würde man dann auch über die Phantastik reden müssen.



Donnerstag, 19. Mai 2011

Warum es weder Handys noch Facebook bei Harry Potter gibt

Joanne K. Rowling hat mit den Büchern um Harry Potter den großen Fantasyerfolg der letzten Jahre verfasst. Verfasst übrigens, als es Handys, das Web, den Chat und, zumindest während der letzten Bücher, Facebook schon gab. HP hat sich als besonders faszinierend für Kinder und Jugendliche herausgestellt, deren Lebenswelt, zumindest nach Meinung der modernen Medienkritiker, in großem, in zu großem Maße von den modernen Kommunikationsmedien beherrscht wird.

In HP gibt es keine Handys. Niemand chattet und wenn man sich trifft - ob freundschaftlich oder in innig empfundener Feindschaft verbunden - dann trifft man sich immer und ausschließlich ganz altmodisch persönlich in den Gängen und Hallen des wunderbar verschrobenen Schlosses Hogwarts. Wie konnte sich Rowling das leisten, so an der Lebenswirklichkeit ihres Publikums vorbei zu schreiben?

Das lag nicht allein daran, dass sie eine 'alte' Frau ist, die von diesen neumodischen Dingen keine Ahnung hat, denn wenn sie so weit von ihrem Publikum entfernt wäre, dann hätte sie es nie so geschickt ansprechen können. Es lag vielmehr daran, dass diese neumodischen Dinge eben doch nicht so wichtig sind, wie die Technopessimisten gerne glauben wollen.

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Die Essenzen sind essentiell (Myk Jung beim Tolkien-Reading-Day 2010)

Natürlich sind Facebook und Handy Sachen, die die Power-User auf keinen Fall missen wollen. Das nicht-missen-wollen geht so weit, dass es leicht als Sucht missverstanden werden kann. Aber letztlich sind das doch nur Kanäle und Mittler über die ein persönlicher Austausch stattfindet. Das Medium ist nicht die Botschaft - die Botschaft ist die Botschaft.

Und die Botschaft ist: ich mag dich; ich mag dich nicht; ich finde das hier toll; und das da doof. Das ist das Gleiche, was Rowling auch erzählt - nur leicht interessanter aufgemacht, aber mir fehlt gerade der Platz dafür. Rowling fokussiert auf das Interessante, alle Erzähler tun das.

Dann können das Handy und Facebook vorkommen, wenn sie denn eine Rolle in dem wichtigen Erzählten einnehmen (etwa in Daniel Suarez´ brillanten Büchern Daemon und Freedom (TM)). Aber sie müssen es nicht, auch dann nicht, wenn Jugendlichen Hochrelevantes über Jugendliche erzählt wird. Medien sind nicht notwendig ein essentieller Bestandteil der Lebenswelt. Die Essenzen sind essentiell, nicht die Kanäle, in denen sie fließen.

Notwendig sind die großen, berührenden Themen der conditio humana, und um die zu erzählen, muss sich niemand beim Publikum mit mehr oder weniger artifiziellen Versatzstücken aus dessen Alltag anbiedern. Deshalb gibt es keine Handys bei Harry Potter, keinen Chat in Susanne Gerdoms Elfenwelten und Christoph Hardebuschs Trolle bleiben (glücklicherweise) dabei, ihre Probleme auf Troll-Art und nicht mit Flamewars zu lösen.


Samstag, 7. Mai 2011

Faszination Fantasy - eine große Anerkennung

Der EZW Materialdienst. Zeitschrift für Religions- und Weltanschauungsfragen hat in seiner Maiausgabe einen Artikel über Fantasy in den Mittelpunkt gestellt, der sich in weiten Teilen auf meine Arbeit stützt - das ist schon eine tolle Anerkennung!

In Faszination Fantasy beschreibt Ulrike Treusch das Faszinosum und die Funktionen von Fantasy. Dabei zitiert und übernimmt sie zunächst uneingeschränkt meine Definition von Fantasy (Fantasy ist demnach ein literarisches Genre, dessen zentraler Inhalt die Annahme des faktischen Vorhandenseins und Wirkens metaphysischer Kräfte oder Wesen ist, das als Fiktion auftritt, die als Fiktion auch verstanden werden soll und muss; s. auch hier).

Nach einer Beschreibung des Genres kommt sie dann über die Kritik an Fantasy zu den Funktionen und hebt dort besonders auf die Verbindung zum Mythos und auf das sinnstiftende Potential von Fantasy in einer sinnentleerten Welt ab. Dabei greift sie seitenweise auf mein Buch Fantasy. Einführung zurück und zitiert alle relevanten Passagen über den Mythos sowie meine Überzeugung, dass Fantasy ein Mythos mit Augenzwinkern ist, ein nicht geglaubter Mythos.

Noch stärker und besser als ich selbst das tue hebt sie dabei hervor, dass die Funktion von Fantasy vom Publikum abhängt, davon, was das Publikum in den einzelnen Genrewerken sucht und dann zu finden meint, wobei der fund überhuapt nichts mit dem zu tun haben muss, was der Autor oder Regisseur dort hineinsteckte. Das ist meines Erachtens eine sehr wichtige Beobachtung, die hilft, eine ganze Reihe von Kritikansätzen über die angeblich so verführerische Kraft der satanischen Fantasy in die Schranken zu weisen.

Die EZW ist eine ziemlich wichtige Zeitschrift, die sehr weit verbreitet ist unter Theologen, Philosophen und allen anderen Kulturwissenschaftlern. Ich freue mich sehr darüber, dass Fantasy. Einführung an derart prominenter Stelle so positiv (und letztlich werbewirksam) beachtet wird. Ich hatte ja schon vor einem Jahr bei der Gründungskonferenz der GFF den Eindruck, dass sich das Buch durchsetzt ... dieser Baustein verfestigt den Erfolg noch einmal in einer hocherfreulichen Weise.


Freitag, 25. März 2011

Tolkien-Lese-Tag

Es ist der 25. März. Auf den Tag genau heute vor vielen, vielen Jahren wurde der Eine Ring vernichtet und das Dritte Zeitalter endete mit dem Sieg über das Böse. Mit einer kleinen Pause von ein paar tausend Jahren dazwischen feiern Menschen auf der ganzen Welt diesen Sieg, indem sie sich versammeln und einander Geschichten aus der Feder des großen Chronisten des Ringkriegs, John Ronald Reuel Tolkien, vorlesen. Ich hoffe, Sie haben das Vergnügen, das heute auch erleben zu dürfen.

Ich für mein Teil werde den Tag in Oberhausen, in der Buchhandlung von Lars Bauman - Zweitbuch, Dudelerstraße 17 - begehen und dort natürlich auch lesen.

Dieses Jahr habe ich mir vorgenommen, einen Abschnitt aus dem Kapitel "Über Hobbits" aus dem HdR und anschließend aus einem Brief an Houghton Mifflin zu lesen, den Tolkien 1955 schrieb, und in dem er eine ganze Reihe von Motiven anführt, die ihn dazu brachten, die Ringerzählung zu verfassen.

In "Über Hobbits" kann man nämlich sehen, welche Lebensweise der Professor schätzte. Wie er andernorts bekanntermaßen sagte, war er ja in allen Aspekten außer der Körpergröße selbst ein Hobbit, und das idyllische Landleben - friedlich, geordnet, frei von Hektik, erdverbunden - war seine Idealvorstellung einer angemessenen Lebensweise. Das mag langweilig und konservativ erscheinen, aber die Hobbits können zur Not ja auch anders und eine ganze Welt retten. So dürfte der Professor sich und seine ganz normalen Mitmenschen erträumt haben.

Diese Beobachtung ist für das, worauf ich heute hinauswill, entscheidend. Wenn ein Autor so unbedingt eine Geschichte erzählen will, wie Tolkien von Mittelerde erzählen wollte, dann gibt es enge Verbindungen zwischen Erzähler und Geschichte. Im Falle Tolkiens sind die vielfältig nachweisbar, und das genannte Lebensideal ist nur eine der Parallelen. Der eigentliche Punkt ist, dass die reale Lebenswelt in die phantastische Erzählung hineinreicht und zeigt, dass die Phantastik so phantastisch gar nicht ist.

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Ab wann wird´s phantastisch?

In dem Brief an seinen amerikanischen Verlag nennt Tolkien mehrere solcher Parallelen. Zuerst die zu seiner Profession, der Sprachwissenschaft, wenn er sagt, dass er Mittelerde schuf, um den von ihm erfundenen Sprachen eine Heimat zu geben. Doch das ist nicht der einzige Grund und wäre auch ein wenig l´Art pour l´Art. Es ist aber auch eine stark christlich inspirierte Erzählung, es ist eine Geschichte über die Kraft der Schwachen im Angesicht der Tyrannei und es ist eine Geschichte über die Schönheit und Unbändigkeit der ungezähmten Natur, führt Tolkien in dem Brief weiter aus. Der Herr der Ringe enthält eine Vielzahl von "Kommentaren über die Welt", wie er es anderswo mal sagte.

Wenn das so ist, dann ist die phantastische Welt Mittelerde aber überhaupt nicht phantastisch. Dann ist sie eben das - ein Kommentar zur Welt, in der wir wirklich leben. Und wenn das auf Mittelerde zutrifft, dann gilt es für die Phantastik insgesamt - sie ist nicht phantastisch, sie handelt mit dem Mittel der Metapher vom realen Leben.

Es ist nicht einfach als spannende Unterhaltung gemeint, wenn in Star Trek eine Reihe von Folgen die Prime Directive behandelt, dass es der Föderation verboten ist, in die Geschicke weniger entwickelter Planeten einzugreifen und in diesen Folgen dann gezeigt wird, dass es manchmal mit Nichteinmischung einfach nicht getan ist. So ein Thema erzählt viel mehr über Srebrenica, Ruanda und heute Libyen und die Elfenbeinküste als von fernen Planeten.

Es ist auch kein Zufall, dass die High Fantasy in der Regel in vorindustrieller Zeit spielt. In Zeiten also, wo es mit Knöpfchendrücken nicht getan ist, sondern es auf die mentale Stärke von Individuen ankommt - nicht umsonst wird die Stärke von Magie in fast allen Geschichten von der persönlichen Stärke ihrer Nutzer abhängig gemacht. Das sind Träume, Überlegungen und Spekulationen über den Wert und Einfluss des Individuums, die wir im als ohnmächtig erlebten realen Leben stellvertretend ausleben wollen.

Nein, die Phantastik ist nicht phantastisch, sie berichtet auf ganz erhellende Weise von uns und unserem realen Leben. Oder glauben Sie, dass Goethes Gedicht vom Zauberlehrling, dem sein halbgares magisches Können über den Kopf wächst, irgendetwas anderes meint als einen Kommentar auf die menschliche Realität abzugeben? Dazu mehr im Frühsommer, wenn mein langer Artikel über dieses Thema im Tagungsband der GFF erscheint.

Aber erst einmal: Einen schönen Tolkien-Lese-Tag!



Donnerstag, 17. März 2011

Aktuell und traurig: die Reichweite menschlichen Betragens

Die Ereignisse in Japan und Libyen zeigen, wie wahr der alte Spruch des Philosophen Thomas Hobbes ist: „Homo homini lupus est, homo homini deus est.“ Der Mensch ist des Menschen Wolf, der Mensch ist des Menschen Gott – wenn auch Letzteres eher selten zu beobachten ist.

Aber heute schon, wo der Mensch zeigt, zu welcher Größe, welcher Niederträchtigkeit und welcher Erbärmlichkeit er fähig ist – groß die Helden von Fukushima, niederträchtig Gaddafi und seine Schergen, erbärmlich der entwickelte Westen ...

Es kommt mir nicht leicht aus der Tastatur, das Wort vom Helden, aber die Fünfzig von Fukushima, diese Techniker und Arbeiter, die wissen, dass sie sterben werden – die es wussten, bevor sie ihre verzweifelte Arbeit begannen –, das sind Helden. Sie opfern sich für ihre Familien und die Gemeinschaft und zeigen damit, welche Größe der Mensch in der Not zu zeigen imstande ist. Wanderer, kommst Du nach Tokio, so verkünde dort, dass du uns hier habest liegen sehen, wie es die Pflicht befahl ...

Das Wolfsgesicht ist zur gleichen Zeit in Libyen zu sehen, wo eine Diktatorenfamilie ihr Volk abschlachtet und bald, nach dem Sieg, dazu übergehen wird, grausamste Rache an den überlebenden Männern, Frauen und Kindern zu üben. Und werden Saif al Islam und seine Brüder sich in fünf Jahren wieder lachend in Monaco, London und Marbella im Kreise der Reichen und Schönen amüsieren, ohne dass ihnen jemand etwas nachträgt? Wahrscheinlich schon.

Denn da sind ja noch die Erbärmlichen, die schlaff und mutlos zwischen Wolf und Gott stehen: die Regierungen des freien Westens, die solange taktieren, bis es niemanden mehr zu retten gibt und die nach einer Schamfrist das mit Blut versetzte Öl des Diktators kaufen werden. Ein Beispiel werden sie damit gegeben haben, dass all die anderen Lukaschenkos, Mugabes und Ahmadinedschads darin bestärken wird, anders als Mubarak nicht einfach zu verpuffen, sondern auch über einen Leichenteppich zu gehen.

Was der Trauer ob der aktuellen Ereignisse die Krone aufsetzt ist, dass selbst die Helden, nicht nur kein glückliches Ende finden werden, sondern dass auch all ihre Handlungen umsonst gewesen sein werden. Außer, dass sie damit ein Zeichen gesetzt haben. Ein Zeichen dafür, wie der Mensch auch sein kann. Aber so war es schon immer, und mehr ist wohl nicht zu erhoffen.

[Update 25.3.]
Sie greifen also doch ein, und weltweit gab es zuerst Zustimmung, doch schon ganz schnell wird kritisiert und nach einer Woche deutet sich an, dass es mit sehr ungewissem Ausgang noch lange dauern wird.

Trotzdem war das Eingreifen so richtig, wie es falsch ist, anderswo nicht einzugreifen (Elfenbeinküste, bald vielleicht Syrien?). Was wir brauchen ist eine "Zeitenwende" (Darnstädt, s. Link), die die Menschenrechte über die Staatssouveränität stellt. Was wir brauchen ist ein unter checks & balances stehender Weltpolizist.

Ein guter Artikel dazu steht heute auf Spiegel Online.

Freitag, 11. März 2011

Phantastische Artikel gesucht

Heute veröffentlichte die Gesellschaft für Fantastikforschung einen zeitlich nicht befristeten Daueraufruf, wissenschaftliche Artikel, die sich mit dem Thema Phantastik befassen, für das bald erstmalig erscheinende Vereinsjournal, die Zeitschrift für Fantastikforschung, einzureichen:

gff_cfp

Beachten Sie bitte, dass die Zeitschrift ab 2011 immer wieder erscheinen wird, und dass Sie deshalb, wann immer Sie ein gutes Thema haben, dieses einreichen können.

Und haben Sie auch nicht zu hohen Respekt vor der Wissenschaft. Natürlich kann ein akademisches Journal nur Beiträge veröffentlichen, die wissenschaftlichen Standards entsprechen. Aber sooo hoch sind die gar nicht, und die paar formalen Anforderungen sind ein Klacks. Was zählt, sind Ihre Idee, Ihre These, Ihre Befunde.

Wenn Sie möchten, können Sie mich auch gerne kontaktieren und ich berate Sie unverbindlich (und natürlich kostenlos) zu Fragen einer Veröffentlichung in der ZFF.


Samstag, 19. Februar 2011

Mit Steinen werfen!

Gerade berichtet die SZ, dass Edmund Stoiber Herrn Dr. a. D. Guttenberg mit dem biblisch inspirierten Satz zur Seite sprang: "Wer ohne Fehler ist, werfe den ersten Stein." Normalerweise nehme ich Fehlerlosigkeit sicher nicht für mich in Anspruch, in diesem Fall aber schon. Und werfe deshalb - nachdrücklich und mit echter Wut im Bauch - den Stein in Richtung des Schummelbergs: "Geben Sie den unverdienten Titel ab!"

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Es spricht zugebenermaßen persönlich motivierte Empörung aus mir, denn ich habe, wie die große Mehrheit aller Doktoranden, meine Arbeit wirklich in jahrelanger mühevoller Kleinarbeit geschrieben, statt sie zusammenzukopieren und habe deshalb nicht das geringste Unsicherheitsgefühl dabei, aus meinem Glashaus heraus mit dicken Steinen zu werfen. Prof. Fischer-Lescano hat recht, wenn er dies im morgigen Spiegel als "Verrat an der Wissenschaft und an all den Doktorandinnen und Doktoranden" brandmarkt. Aber es geht um mehr als um diese eine Frechheit des Betrugs an hart arbeitenden WissenschaftlerInnen.

Wie genau, warum genau dieser Mann seine 'Dissertation' auf welche Weise zusammenkopiert hat, ist noch nicht klar, aber die Beweise, auf mittlerweile 62 % der Seiten (darunter bspw. ein mehrseitiges bei einem Referenten in Auftrag gegebenes Gutachten) seiner 'Dissertation', sind unzweifelhaft: Diese Arbeit ist in betrügerischer Weise entstanden. Die bloße Menge schließt Schusseligkeit schon aus, Wort-für-Wort-Vergleiche auf Faksimile-Basis, wie von der Süddeutschen vorgenommen, zeigen, dass die Kopien nicht absichtslos eingefügt sein können und dass diese Kopiervorgänge als geistige Eigenleistung dargestellt werden.

Ob nun von des Freiherrn eigener Hand ungeschickt zusammenkopiert oder von Ghostwritern, Referenten oder Praktikanten zusammengestoppelt - eine eigenständige wissenschaftliche Leistung ist das Werk auf keinen Fall. Also ist der Doktortitel obsolet.

Das ist in Expertenkreisen, die sich mit Dissertations- und Urheberrecht auskennen, auch vollkommen unumstritten. Interessanter - und fatal! - ist, dass der Doktor a. D. trotzdem noch eine Zweidrittelmehrheit der Bevölkerung auf seiner Seite hat, die das alles offenbar lässlich findet, getreu des Diktums von F. J. Wagner in der BILD: "Macht keinen guten Mann kaputt. Scheiß auf den Doktor."

Aber er ist eben kein guter Mann. Das sah man zwar auch schon an seinen bisherigen politischen Schlingerkursen (oder haben Sie geglaubt, der träte wirklich wegen Opel zurück?), doch die Fälschung einer Doktorarbeit fokussiert das Licht auf den Charakter des Mannes.

Eine Doktorarbeit ist der Nachweis der wissenschaftlichen Leistungsfähigkeit. Wer eine schreibt und sich dabei durch copy & paste oder Ghostwriting ganz bewusst dieser Leistungserbringung entzieht, ist erstens unehrlich und zeigt zweitens, dass ihm die Arbeit, das Durchdenken eines Themas und die intellektuelle Auseinandersetzung vollkommen egal sind, und dass es ihm nur um den Anschein geht. Mehr Schein als Sein - das ist, was zu Guttenberg mit dieser Arbeit erreichen wollte.

Normalerweise würde schon die nachgewiesene Unehrlichkeit ausreichen, um eine Person für eine Regierungsfunktion zu disqualifizieren, Herr Wagner. Aber früher trat man ja eh leichter zurück. (War das Ehrgefühl ausgeprägter?) Doch dass zu Guttenberg daran scheitert, eine echte Dissertation anzufertigen, zeigt auch seine Unfähigkeit. Er ist kein guter Mann, er sieht nur gut aus ...

Was ich jetzt immer wieder lese, und auch persönlich als Antwort zu hören bekomme, ist, dass das doch viele so machen und dass es sich um eine Lappalie handle. Solange er seinen Aufgaben gerecht wird, solle man eben ein Auge zudrücken ...

Nein, ganz entschieden, nein! Soll man nicht. Natürlich gibt es viele Menschen, die betrügen oder sich an der Grenze zum Betrug erfolgreich durch die Dinge lavieren. Aber wer erwischt wird, muss fliegen!

Denn was für ein Beispiel wird denn gegeben, wenn Lug und Betrug unsanktioniert bleiben? Mehr Schein als Sein ist immer der einfachere Weg. Aber die Anforderungen in Politik und Wirtschaft - und die Anforderungen im normalen täglichen Leben; in Schule, Sport, Beruf eines jeden Menschen - verlangen Leistungsfähigkeit zu ihrer Bewältigung. Diese nimmt aber rapide ab, wenn alle so tun wie Herr zu Guttenberg - was beispielsweise Goedart Palm in einem sehr desillusionierenden Artikel in der Telepolis hinzunehmen bereit scheint. Palm behält recht, wenn zu Guttenberg bleibt - doch hinnehmen sollte man eine solche Entwicklung nicht.

Wenn wir die Lehre einsickern lassen, dass man mit "so tun als ob" auch weiterkommt, werden die dann von den scheinbaren ExpertInnen immer unerfüllbarer werdenden Anforderungen die Gesellschaft überwältigen und ins Chaos stürzen. Zu Recht heißt es, wir in Deutschland besäßen nur den Rohstoff Mensch - wenn dieser Rohstoff sich nach den zu Googlebergs richtet, haben wir das auch verloren.

Der Presse hat Herr von und zu vor einiger Zeit im Geheimen anvertraut, er wolle in seinem nächsten Urlaub Platons Staat lesen. Na das ist mal eine gute Idee - dies großartige Buch über Ethik sei ihm ans Herz gelegt, besonders Seite 361a: "Denn der Gipfel der Ungerechtigkeit ist: gerecht scheinen, ohne es zu sein."


Freitag, 7. Januar 2011

Ein tolles 2011!

Zurück am Arbeitsplatz! Dann wollen wir dem neuen Jahr mal mit geeigneten Instrumenten zu Leibe rücken:

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Ich wünsche Ihnen ein frohes, erfolgreiches, gesundes 2011!

Bleiben Sie polyoinos treu.